Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition)
umbringen.«
»Das ist die Wirklichkeit, Boone.«
»Kannst du dich an Ed Kelleher erinnern? Dein Onkel hat die Scheiße aus ihm rausgeprügelt, und alles, was er getan hatte, war, Angela den Hintern zu versohlen. Das hast du cool gefunden.«
»Das ist Jahre her. Ich war auch noch klein. Und – Herrgott, Boone – niemand ist gestorben.«
»Alter, was kümmert es dich, wenn er ihn umbringt?«
»Spinnst du?«
»Und du? Er hat deine Schwester vergewaltigt. Du hättest ihn in den Arsch treten sollen, als du die Chance dazu hattest. Scheiße, mich hätten keine zehn Pferde zurückhalten können, und du hast es nicht mal aus dem Auto geschafft.«
»Als ob ich gegen Michael Ring kämpfen könnte. Er hätte mich in den Arsch getreten.«
»Na und?« Boone kämpfte sich wieder auf die Füße. »Du bist ein Mann. So eine Scheiße passiert manchmal. Zumindest hättest du das Richtige getan.«
»Das Richtige? Zur Hölle noch mal, du bist genauso schlimm wie die anderen. Jeder ist so angepisst, dass er überhaupt nicht mehr nachdenkt. Keiner benutzt seinen Verstand .«
»Ich hab den Eindruck, du machst dir mehr Sorgen um Michael Ring als um deine kleine Schwester.«
Wir waren nur Zentimeter voneinander entfernt. »Leck mich, Mann.«
»Okay, wie auch immer, sei wütend auf mich.« Boone winkte ab. »Ja, das macht echt Sinn.«
»Nichts kann etwas an dem ändern, was passiert ist. Egal, was ich tue oder was Onkel macht, es ändert nichts an dem, was Angela passiert ist. Sie wird sich dadurch nicht besser fühlen, davon geht das, was geschehen ist, und das, was sie fühlt, nicht weg.«
»Na und? Vielleicht ist das gar nicht der Punkt. Er hat Angela vergewaltigt, Andy, er …«
»Ich weiß, was er getan hat.«
»Er muss dafür bezahlen. Er muss bestraft werden.«
»Ich sag nicht, dass er nicht bestraft werden soll. Ich sag nicht, dass das, was er getan hat, okay ist. Aber sie sollten die Polizei holen und ihn verhaften lassen. Er sollte ins Gefängnis kommen.«
»Kacke. In den Jugendknast vielleicht.«
»Boone, wenn Onkel ihn umbringt, kommt er ins Gefängnis, vermutlich für den Rest seines Lebens. Ich will nicht, dass mein Onkel ins Gefängnis kommt.« Ich wandte mich von ihm ab und fuhr mir mit den Händen durchs Haar. Sie waren feucht von Schweiß. »Und übrigens«, sagte ich, »das ist Mord.«
»Vielleicht ist nichts passiert. Du hast gesagt, dass er nur mit ihm geredet hat, als du weggerannt bist, also hat er ihm vielleicht nichts getan .«
Ich wollte glauben, dass das wahr sein könnte, aber mein Bauch sagte mir etwas anderes.
Boone ging ein Stück weit weg, stellte den nötigen Abstand zwischen uns her. »Ich weiß es nicht«, sagte er. »Ich weiß nicht, was du tun sollst.«
»Egal was«, antwortete ich, »du darfst nichts verraten, Boone. Niemandem.«
Er nickte.
»Wenn etwas passiert und wir davon wissen, könnten wir auch in Schwierigkeiten kommen.«
»Ich würde euch niemals verpfeifen«, sagte er leise. »Nie.«
Für einen Moment wünschte ich mir, ich könnte irgendwo anders hingehen, wenn auch nur, um mich hinzusetzen und nachzudenken, aber es war nie offensichtlicher als genau in diesem Augenblick, wie abgeschieden wir wirklich lebten. Wir verließen die Stadt selten, egal, unter welchen Umständen. Wir konnten noch nicht einmal mit einem Auto fahren. Wir konnten nirgendwo hin, und selbst wenn, hätten wir keine Möglichkeit gehabt, dorthin zu gelangen. Warden war unser gesamtes Universum, unsere Existenz, ein Leben auf einem Stecknadelkopf.
Die Dunkelheit war unbemerkt hereingebrochen.
8
»Angela hat mich gestern Abend angerufen«, teilte mir Louise mit. »Sie fliegt heute Abend her.«
Ich nickte. »Ich werde sie nachher bei unserer Mutter treffen.«
Louise verzog merklich das Gesicht, in diesem Moment waren sie und meine Mutter im Schmerz vereint. »Ich komme später auch. Ich weiß nicht, warum zur Hölle ich arbeiten gegangen bin, ich – ich konnte einfach keine Minute länger allein in dieser Wohnung bleiben. Ich habe eine Zeit lang mit Marie telefoniert, aber … aber wir haben nur geweint.« Sie zuckte fast entschuldigend mit den Schultern, und ich wollte schon über den Tisch greifen und sie berühren, um ihr zu zeigen, dass sie sich nicht zu entschuldigen brauchte.
»Ich fahre nachher zum Haus«, kündigte ich an, »aber ich wollte zuerst Sie treffen.«
»Wieso?«
Diesmal sah ich weg. Ich war sicher, dass ich diese Frage in ihren Augen verdiente. Schließlich war sie ein
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