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Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition)

Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition)

Titel: Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg F. Gifune
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Jahrzehnt mit meinem Onkel zusammen gewesen und hatte nicht nur zu ihm eine Beziehung, sondern auch zu meiner Mutter und, soweit das möglich war, zu Angela, die ein halbes Land entfernt wohnte und gewöhnlich nur zu Beerdigungen, Hochzeiten und gelegentlich über die Feiertage nach Warden kam. Louise war in den vergangenen Jahren mehr Mitglied unserer Familie gewesen als ich.
    Ich erinnerte mich daran, dass meine Mutter mir von einer Frau erzählt hatte, mit der Onkel zusammen war, aber wir sprachen selten über ihn, wenn ich anrief, und selbst dann nicht ausgiebig. Deshalb hatte ich bis zu diesem Tag keine Ahnung gehabt, dass Louise Sutherland wirklich existierte. Für mich war sie jemand gewesen, der bei Gesprächen mit meiner Mutter oder Angela im Laufe der Jahre immer wieder einmal kurz erwähnt wurde, eine Frau, die ich ausgeblendet und der ich die gleiche Bedeutungslosigkeit wie allen anderen Freundinnen des Onkels beigemessen hatte. Aber bei Louise war das etwas anderes. Sie war real, vermutlich die einzige nicht platonische Beziehung, die Onkel je mit einer Frau geführt hatte. Und ich hatte es verpasst, sie beide verpasst. Ich hatte Louise verpasst.
    »Sie sehen ihm sehr ähnlich«, sagte sie völlig unerwartet.
    Ich fand Louises Kommentar seltsam, weil sie mehr als ein paar Sekunden lang keinen Blick mehr in meine Richtung geworfen hatte. Aber sie hatte recht. Man hätte mich leicht für Onkels Sohn statt für seinen Neffen halten können.
    »Als er jünger war, natürlich«, fügte sie hinzu. Sie hielt ihren Kaffeebecher wie ein Tierbaby, barg ihn sanft in ihren Händen. »Ich habe Bilder von Ihnen gesehen, als Sie klein waren, aber …« Ihre Stimme erstarb. »Er hatte immer diesen einen Schnappschuss von Ihnen und Angela in seiner Brieftasche. Sie beide stehen jeder auf einer Seite von ihm und halten ihn bei der Hand. Sie waren vermutlich – ich weiß nicht – vielleicht acht oder neun, ein kleiner Bub, also kann Angela nicht älter als fünf oder sechs gewesen sein. Er sieht so glücklich aus darauf. Immer, wenn er jemandem von Ihnen oder Angela erzählt hat, hat er dieses Bild herausgeholt. Natürlich besaß er neuere von Angela; wir hatten sie überall im Haus. Aber von Ihnen hatte er nur alte. Er hatte aber einen Abzug von Ihrem High-School-Abschlussfoto. Ihre Mutter hat ihn ihm gegeben. Ich vermute aber, dass sie schon eine ganze Zeit lang vorher aufgehört hatten, mit ihm zu reden.«
    Louise starrte eine Weile hinunter in ihren Kaffee.
    »Es war kompliziert«, erwiderte ich.
    Ihre dunklen Augen hoben sich. »Ich weiß.«
    Ich fragte mich, wie viel sie wusste.
    Schmerz und Bedauern hingen zwischen uns in der Luft wie ein Vorhang aus Spinnweben. Ich stellte mir vor, wie Onkel diese Frau in den Armen hielt, sie küsste, sie liebte. Ich stellte mir vor, wie er mit ihr lachte, herumalberte und sie für einen kurzen Tanz durch die Küche vom Stuhl zog, wie er es vor so vielen Jahren mit meiner Mutter getan hatte. Ich stellte sie mir in ihrer Wohnung vor, wie sie still miteinander im Bett lagen, während die Schatten über die Wände und die Decke ihres Schlafzimmers wanderten. Ich stellte mir vor, wie ihr Kopf auf seiner Schulter lag und wie er die Arme um sie schlang, sie festhielt und lächelte, wie er es so oft getan hatte, als hätte er keine Sorgen auf dieser Welt und als gäbe es keinen Ort, an dem er lieber wäre.
    »Die Polizei hat mir gesagt, dass er zusammen mit einem anderen Mann ermordet wurde«, sagte ich.
    Louise nickte unverbindlich und griff wieder nach ihren Zigaretten. »Ja, das hat man mir auch gesagt.«
    »Kannten Sie ihn?«
    »Ronnie Garrett. Er wohnte schon eine Weile hier. Jünger als Ihr Onkel – er war erst in den Dreißigern, vielleicht in Ihrem Alter – aber er war lange Zeit Paulies Partner.«
    »Ein Partner.«
    Sie zündete sich eine weitere Zigarette an. »Das sagte ich.«
    Ich nahm einen Schluck Kaffee. »Wissen Sie, was passiert ist?«
    »Sie wurden erschossen, das ist passiert.« Sie presste die Lippen zusammen, das Kinn entschlossen erhoben gegen die aufsteigenden Tränen, aber es gelang ihr, sie zurückzudrängen, bevor auch nur ein Tropfen an die Oberfläche kam. »Hat Ihnen die Polizei das nicht gesagt?«
    »Ich meinte eher, wieso«, sagte ich ruhig.
    Louise blies die Luft durch ihre Nasenlöcher, es mag ein Seufzer oder vielleicht sogar der Anflug eines ironischen Lachens gewesen sein, ich bin mir nicht sicher. Wie eine in die Jahre gekommene Filmdiva rauchte

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