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Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition)

Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition)

Titel: Sag Onkel - Psycho-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg F. Gifune
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sich langsam, aber gleichmäßig, die Flut strömt gierig auf das Festland zu. Ein kleiner Strand trennt das Meer vom Ufer. Hinter dem Wasser und dem dichter werdenden Nebel lugen durch einen dunklen Schleier die Umrisse von Gebäuden und das schwache Schimmern der Stadtlichter hervor.
    Dicht unter den Wellen, wegen der Dunkelheit und des Nebels kaum zu erkennen, bewegt sich etwas lautlos auf die Küste zu. Verborgen im schattigen Wasser der Nacht, weder Fisch noch Mensch, taucht es dennoch mit der Anmut und der rohen Kraft eines großen Hais vorwärts. Eine Kreatur, die sich ihren Weg durch den Ozean mit einem Selbstvertrauen bahnt, das Raubtieren vorbehalten ist, die seit Millionen von Jahren keinen natürlichen Feind haben.
    Etwas, das einer menschlichen Hand ähnelt – die Finger sind lang, gekrümmt und mit Schwimmhäuten versehen – dringt an die Wasseroberfläche und streift aus Versehen die letzte Boje vor der Küste. Die Glocke an ihrer Spitze scheppert und hallt durch die Dunkelheit, der einzige Laut in einer ansonsten geradezu unheimlich stillen Nacht.
    Während es sich dem Ufer nähert, wird das Wasser flacher, und seine Füße berühren den Boden. Seine Zehen finden in dem feuchten, dunklen Sand Halt. In einer einzigen fließenden und gebieterischen Bewegung richtet es sich ganz auf und sein Körper bricht durch die Wasseroberfläche. Von den Armen und dem Oberkörper tropft Salzwasser, an seinem Torso hängen Seetang und Unrat.
    Das Mondlicht ist schwach, aber selbst inmitten der Schatten ist es offenkundig, dass das Wesen eine Metamorphose von einem Meeresbewohner zu einer Kreatur durchgemacht hat, die besser für das Leben an Land geeignet ist. Die klauenartigen Hände und Füße mit den Schwimmhäuten sind verschwunden, ebenso die schwarzen Augen, der missgestaltete Kopf, die glatten Ohren, der Schwanz, die Schuppen und die Kiemen. Von all dem ist nichts mehr zu sehen, menschliche Merkmale sind an seine Stelle getreten.
    Das Wesen geht auf den Strand zu, wischt dabei den Tang vom Körper und wirft ihn zurück ins Meer. Auch die Abfallreste entfernt es von seinem nackten Leib. Sein Gang ist eindeutig feminin und verführerisch. Als es seinen Kopf schüttelt, löst sich sein Haar und fällt über die nun zierlichen, weichen Schultern. Lange, nasse Haarsträhnen hängen über großen Brüsten, die in dem dämmrigen Licht kaum zu sehen sind.
    Es bleibt stehen und nimmt einen Augenblick lang seine Umgebung in sich auf. Die Nase zuckt. Der Blick ist starr. Der Kopf ist gebeugt, während es lauscht und wahrnimmt. Der Nebel wabert umher und bewegt sich wie Rauch, der das Wesen umschlingt. Dabei ist es nicht mehr nötig, sich zu verstecken. Sollte jemand das Wesen jetzt sehen, würde er nichts anderes als eine nackte, äußerst attraktive Schwimmerin erblicken.
    Dies ist der Ort, denkt es. Denkt sie. Dies ist der Ort, nach dem ich gesucht habe. Hier hält er sich auf. Irgendwo dort draußen zwischen den wenigen Lichtern der ansonsten dunklen Stadtlandschaft wartet derjenige, für den sie gekommen ist. Im Moment ist ihr nur kaum bewusst, was er ist, was sie ist, was geschehen wird. Was geschehen ist.
    Seinetwegen.
    EINS
    Er kauert in der Dunkelheit der Einzimmerwohnung, starrt auf die einzelnen Flecken, die das Mondlicht auf die Fußbodenleiste und den Rest des Raums wirft, als wären sie dort strategisch verteilt worden, und schenkt dem Albtraum keine weitere Beachtung. Ihm kommt der Gedanke, dass es keinen direkten Ausweg aus der grauenhaften Sackgasse ihres Lebens gibt. Er fährt sich mit den Händen über den Kopf und stößt auf Haarreste, die verfilzt und feucht von Schweiß sind. Zwischen seinen Fingern fühlen sie sich trotz der kühlen Luft klamm und schmierig an. Eine Stelle an seinem linken Mittelfinger brennt. Sie ist rau und aufgekratzt, so, wie sie aussehen würde, wenn er die letzten paar Stunden damit verbracht hätte, den Finger gegen eine grobe Oberfläche zu reiben. Er streckt seine Arme aus und zwingt sie damit, den Schein des Mondlichts zu durchkreuzen. Im Gegensatz zu dem hautlosen Kreis an seiner Fingerspitze ist die blasse Haut seiner Arme von kobaltblauen Adern wie ein Netz überzogen.
    Cyanblaues Blut.
    Als Nächstes bemerkt er ein dünnes, goldenes Armband an seinem rechten Handgelenk und erinnert sich an eine Bar von vor so vielen Jahren und einen Haitianer namens Roscoe, der ausgerechnet einen silbernen Vorderzahn hatte. Dignon hat das Armband unter den vielen ausgewählt, die

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