Saga von Dray Prescot 18 - Vallian-Zyklus 04 - Goldenes Scorpio
schließlich wieder auf Höhe ging. Der Voller stieg prompt empor und ließ sich von mir wenden. Wir schauten über die Bordwand.
Die Angreifer flohen. Männer hasteten in panischem Entsetzen die Stufen hinab. Viele rollten als bunte Bündel aus Uniformstoff und Waffen den langen Aufgang hinab. Ich lächelte nicht. Doch zunächst hatten wir uns eine Atempause verschafft.
»Welches Risiko!« hauchte Farris. »Welch wagemutiger Einsatz ...!«
»Der sich aber ausgezahlt hat«, meinte Königin Lust. Sie hatte sich mit den Saiten abgemüht und einen Bogen gespannt; nun zielte sie sorgfältig auf einen armen Kerl, der die Treppe hinabhastete, und schoß ihm den Bolzen direkt zwischen die Schulterblätter. Der Mann erstarrte mitten im Lauf und stürzte auf den Rücken der vor ihm fliehenden Kameraden. Ein Gewirr aus Armen und Beinen und Waffen schlitterte zum nächsten Treppenabsatz hinab.
»Bei Krun«, sagte ich, »und jetzt werden wir feststellen, was hier los ist!«
»Gute Nachrichten haben wir nicht zu erwarten«, meinte Farris.
»Aber Esser Rarioch ist noch nicht besiegt«, stellte Delia fest und hob das Kinn. »Die Flaggen wehen noch auf den Mauern.«
Als wir uns der hochgelegenen Landeplattform näherten, überlegte ich, daß meine Feste wohl noch stehen mochte, daß sie aber nicht mehr lange aushalten konnte. Der Bösewicht, der den Sturz des vallianischen Reiches anstrebte, um dann selbst den Thron zu besteigen, konnte das Weiterbestehen einer Feste des Prinz Majisters nicht zulassen. Ich hatte die Gegenrevolution in Valka beginnen lassen wollen; diese Pläne mußte ich neu überdenken. Das hatte ich ohnehin schon befürchtet.
Die Leute, die uns nach Verlassen des Vollers entgegenkamen, ließen erkennen, daß sie heftige Kämpfe hinter sich hatten. Auf gelben Verbänden zeigten sich häßliche Flecke. Gleichwohl begrüßten mich die Männer mit brausendem Jubel, und die Frauen lächelten Delia an. Esser Rarioch, das wissen Sie, steht meinem Herzen nahe. Hier gibt es keine Sklaven. Wer innerhalb der Festungsmauern Waffen tragen konnte, hielt sie in den Händen. Gleich nach dem Aussteigen umwogten uns Reden und Erklärungen und Fragen nach den Ereignissen anderswo und entschiedene Zurückweisungen der Dinge, die die angreifenden Rasts uns antun konnten.
Chuktars bekleiden in jeder Armee einen hohen Rang, bedeutet der Name in der barbarischen Ursprache doch ›Kommandant über Zehntausend‹. Heutzutage befehligt ein Chuktar eine Gruppe von Regimentern oder Einheiten, die jeweils unter dem Kommando eines Jiktar stehen. Der Chuktar, der mich auf der oberen Wehrmauer begrüßte, ergriff meine Hand mit breiter brauner Faust und strahlte mich nicht an. Ich akzeptierte seine Entscheidung, mir nicht gleich an der Landeplattform entgegenzutreten. Er hatte hier oben genug zu tun und erklärte uns nun die Teufelei, die dort draußen im Gange war.
Flutsmänner waren eingesetzt worden, um die Feste schnell niederzukämpfen – doch hatte man sie mit Salven genau gezielter Pfeile zurückgeschlagen. Chuktar Nath Fergen ti Vandayha deutete auf die auf dem Kyro der Dreizacke zusammenströmenden Massen und brauchte mir nicht erst zu sagen, daß sie sich auf einen neuen Angriff vorbereiteten.
Während wir uns hier berieten, würde Delia sich um Tante Katri und die Kinder kümmern, und gewiß würde man Königin Lust hier in der Feste mit verstohlenen Blicken bedenken, weil sie sich bemühte, unsere eigenen Vorbereitungen voranzutreiben. Lord Farris gesellte sich auf der hohen Bastion zu uns, und zwischen ihm und Chuktar Nath Fergen kam es zum gebotenen Pappattu.
Jiktar Exand, Kommandant der Festungswache, war gleich am Anfang verwundet worden, und ich gedachte ihn zu besuchen und ihm einige freundliche Worte zu übermitteln. Zufällig hatte sich Nath Fergen in Valkanium aufgehalten, als es zum Schlag kam. Er schilderte die Lage nicht ohne drastische Flüche: »Tom nahm den größten Teil der Armee mit nach Veliadrin, denn dort erhoben sich die opaz-vergessenen Qua'voil-Cramphs, brannten drei Städte nieder und begannen nach Norden zu marschieren. Ich kam hierher, um die Vierten Bogenschützen abzuholen, und hatte gerade noch Zeit, mich im Schloß in Sicherheit zu bringen.«
Er schien aufgebracht zu sein. Die Vierten Bogenschützen, ein vorzügliches Regiment, waren an verschiedenen Stellen in der Stadt kaserniert gewesen, und nur eine halbe Pastang hatte den Weg die lange Treppe herauf geschafft. Zu diesen gehörte Naghan
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