Sagen aus Bayern
eines Berges die St. Markus-Kapelle. Die Stille der romantischen Landschaft, nur von dem leisen Geflüster der nahen Quelle und dem Pochen des unfern gelegenen Hammerwerkes unterbrochen, lädt zur Andacht ein; aber die Kapelle liegt in Trümmern und das Brustbild des heiligen Markus, das die Kapelle geschmückt hatte, steht vor der Pfarrkirche zu Unterwittbach in einer Nische. Die Kapelle verdankte ihre Entstehung dem Wertheimer Grafenjohann mit dem Barte. Der liebte die Jagd so leidenschaftlich, daß er selbst den Tag des Herrn mit dem wilden Treiben des Weidwerks entweihte. Sogar am Osterfeste ließ er davon nicht ab; da sprang ein weißer Hirsch vor ihm auf und lockte den verfolgenden Jägersmann immer weiter und tiefer in den dichten Wald. Es wurde Nacht; der Graf sank schier verschmachtend zur Erde. Da gedachte er sehnsüchtig seiner lieben frommen Hausfrau, die ihn oft so flehentlich gewarnt vor dem gottlosen Übermaße der Jagdlust. Und plötzlich, wie innige Reue in ihm erwachte, hörte er neben sich ein Brünnlein rauschen; und als er gelabt und gestärkt nun weiterschritt, schallte ein Glöcklein vor ihm – immer vor ihm her, bis ihn der fromme Klang wieder auf seine Burg heimführte. Zum Dank für die wunderbare Errettung baute der Graf an der Stätte, wo die Quelle ihm geflossen, eine kleine Kapelle, die er dem h. Markus widmete.
Die treulose Störchin
Cranz, ein Kanzler Herzog Thaßilos lll. schreibt gar ein seltsames Wunder von Störchen, zur Zeit Herzog Haunbrechts. Der Ehebruch sei derselbigen Zeit gemein gewesen, und Gott habe dessen harte Strafe an unvernünftigen Tieren zeigen wollen.
Oberhalb Abach in Unterbayern, nicht weit von der Donau, stand ein Dorf, das man jetzund Teygen nennet. In dem Dorf nisteten ein Paar Störche und hatten Eier zusammen. Während die Störchin brütete und der Storch um Futter ausflog, kam ein fremder Storch, buhlte um die Störchin und überkam sie zuletzt. Nach verbrachtem Ehebruch flog die Störchin überfeld zu einem Brunnen, taufte und wusch sich, und kehrte wieder ins Nest zurück, der Maßen, daß der alte Storch bei seiner Rückkunft nichts von der Untreue empfand. Das trieb nun die Störchin mit dem Ehebrecher fort, einen Tag wie den andern, bis sie die Jungen ausgebrütet hatte. Ein Bauer aber auf dem Felde nahm es wahr und verwunderte sich, was doch die Störchin alle Tage zum Brunnen flöge und badete; vermachte also den Brunnen mit Reisig und Steinen, und sah von ferne zu, was geschehen würde. Als nun die Störchin wiederkam und nicht zum Brunnen konnte, tat sie kläglich, mußte doch zuletzt ins Nest zurückfliegen. Da aber der Storch ihr Mann heimkam, merkte er die Treulosigkeit, fiel die Störchin an, die sich heftig wehrte; endlich flog der Storch davon und kam nimmer wieder, die Störchin mußte die Jungen allein nähren. Nachher um St. Laurenztag, da die Störche fortzuziehen pflegen, kam der alte Storch zurück, brachte unsäglich viel andre Störche mit, die fielen zusammen über die Störchin, erstachen und zerfleckten sie in kleine Flecken. Davon ist das gemeine Sprichwort aufkommen: »Du kannst es nicht schmecken! «
Die umgehende Wehmutter
In Augsburg lebte gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts die Wehmutter. Sie war Hebamme und taufte die Kinder bei Nottaufen in Teufels Namen. Nach ihrem Tode irrte sie in verschiedenen Gestalten, als Hund, Kalb u. dgl. umher. Sie hauste gräßlich, und war besonders Wöchnerinnen und kleinen Kindern gefährlich, welchen sie sich durch wehmütiges Winseln bemerkbar machte. In den Rauchnächten zog sie durch die Straßen. Wer vorwitzig zum Fenster hinausschaute, dem schwoll der Kopf. Es war nicht eher Ruhe, bis sie ein Geistlicher in die Donau bei Regensburg beschwor. Andere sagen der Kapuziner Köpplin habe die Wehmutter in die Wertach gebannt.
Die ungerechten Feldschieder
In der Kertelbachswiese, einem Tale zwischen der Kälberauer und Michelbacher Markung, ist eine kleine Anhöhe, worauf vor Zeiten ein Schloß gestanden. In dem Schloßkeller befindet sich ein Kessel bis zum Rande mit Gold gefüllt; dabei steht ein Tisch und darauf ein Glas Wein und an dem Tische sitzt ein graues Männlein mit einer Feder hinter dem Ohre, das beständig rechnet und das Geld zählt und wieder in den Kessel wirft – und das Männlein wird nicht älter und das Weinglas nicht leer, obwohl schon Jahrhunderte darüber hingegangen sind. Und wenn's Mittag wird, da klopft's im Keller; das Männlein schlägt seine elf
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