Sagen aus Bayern
und Rollen, wie das Donnern eines Gewitters – und siehe! eine große eisgraue Schlange kroch daher, hatte ein Gebund Schlüssel im Maul und fuhr auf den Schafknecht los; der aber, wie er sie sah, schrie auf und lief davon.
Da wurde die Schlange wieder zu einer Frau, jammerte herzzerreißend und sprach: »Wehe! jetzt dauert's wieder hundert Jahre, bis ich erlöst kann werden. Denn es wird ein Kirschbaum wachsen drüben im Wald, und von diesem werden Bretter geschnitten, und aus den Brettern eine Wiege gemacht werden, und das Kind erst, das zuerst darin gewiegt wird, kann mich erlösen! « –
Am folgenden Tag nahm der Schafknecht seine Schäferschippe und seinen Hund und wanderte; denn er hätte das Weinen und Jammern der Frau nicht noch einmal hören können.
Die Waldleute
Die Gegend, wo jetzt das Dorf Kalchsreut in der Oberpfalz steht, war in alten Zeiten ein Wald, in welchem ein Waldmännlein und ein Waldweiblein wohnten. Als die Gegend angebaut und bewohnt wurde, kamen sie nachts in die Häuser der guten Menschen, verrichteten die Hausarbeiten und waren zufrieden mit einem wenigen der übrig gebliebenen Speise. Am liebsten hielten sie sich nachts in der Mühle in Kalchsreut auf; das Männlein hantierte in der Mühle, das Weiblein im Stalle. Dafür stellte ihnen die Müllerin ein wenig von der übriggebliebenen Speise hin. Morgens war alles in schönster Ordnung; das Haus hatte Glück und Segen. Als der Winter nahte, legten ihnen die Müllersleute Kleider hin, denn sie waren nackt. Sie weinten und ließen sich in der Mühle nie wieder sehen.
Lange Zeit hörte man nichts von dem Waldmännlein und Waldweiblein, bis sie sich wieder auf dem Breitenstein zeigten. In diesem Schloß lebte eine fromme Magd, für welche sie nachts arbeiteten und wofür ihnen diese ein wenig von den übriggebliebenen Speisen hinstellte. Alle Arbeiten der frommen Magd gingen ihr besser von der Hand, und sie leistete mehr als die übrigen Mägde, welche sie aus Neid bei dem Schloßherrn verleumdeten. Dieser ließ das Männlein fangen und einsperren. Klagend lief das Weiblein nachts um das Schloß herum und bat, ihr Männlein freizulassen, sie wolle dafür guten Schlehenstein geben. Aber der Schloßherr achtete nicht auf das Flehen des Weibleins und ließ das Männlein verhungern. Das Weiblein umkreiste den Breitenstein und sprach.- »Weil du mein Männlein hast verhungern lassen, so geb ich dir keinen Schlehenstein, deine Nachkommen werden bald aussterben und von deiner Burg wird kein Stein auf dem andern bleiben.« Alles ist eingetroffen; auf Breitenstein sieht man keine Schlehen, welche doch überall in dieser Gegend wachsen. Auf diesem Schlosse lebte damals ein Taglöhner, welcher im Wald Holz fällte. Zu diesem trat das Waldweiblein und bat: »Lieber Mann, wenn du einen Baum fällst, so haue jedesmal drei Kreuze auf den Stock; darauf kann ich ruhen und der wilde Jäger hat keine Gewalt über mich.« Dann bat sie ihn: »Dein Weib backt morgen; sie soll mir einen kleinen, dicken Kuchen backen.« Als der Mann den Kuchen brachte, brach das Weiblein ein kleines Stück von der Rinde, höhlte ihn aus, aß nur die Brosen, füllte den ausgehöhlten Kuchen mit Sägspänen, gab ihn dem Taglöhner zurück und wünschte ihm Glück. Dann ging das Weiblein fort und der Taglöhner hörte sie in der Ferne noch wehklagen. Als dieser nach Hause kam, warf er den Kuchen verdrießlich auf den Tisch, weil er sich Besseres vom Waldweiblein für den guten Kuchen erwartet hatte als Sägspäne. Als aber der Kuchen platzte, fielen drei schöne Taler heraus. Von nun an hat man das Waldweiblein nicht mehr gesehen, aber man hört es zuweilen nachts um den Breitenstein heulen und klagen. Man pflegt dann zu sagen: das Klagweiblein, Klagmütterlein hat sich hören lassen, geschieht gewiß bald ein Unglück.
Die Wetterhexe
An einem schwülen Sommertage kam ein Gewitter gezogen; trotz allen Läutens mit sämtlichen Glocken und immerwährenden Betens blieb das Gewitter über Neuern auf einem Platze stehen, und es blitzte und donnerte fürchterlich. Dazumal hatten die Neuerner einen recht frommen Pfarrer; der ging mit der Monstranz hinaus und gab den Segen zum Gewitter hinauf; es war alles vergebens; er nahm dann eine gläserne hochgeweihte Kugel, lud sie in sein Gewehr und schoß sie ins Gewitter. Da ließ sich eine weibliche Gestalt sanft zur Erde nieder. Er nahm sie mit sich in die Pfarrei und verhörte sie. Das Weib gab ihm zur Antwort, es habe schon öfter mit
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