Sagen aus dem Rheinland
arbeitete er nun weiter, und noch vor Ablauf eines Jahres war die Kirche vollendet.
Als am Morgen des Einweihungstages der Priester, der das erste heilige Opfer in der neuen Kirche darbringen sollte, zum Altare schritt, da fand er den Ritter tot an den Stufen des Heiligtums. Sanfter Friede verklärte das bleiche Antlitz.
Die Geister im Schloß Ehrenbreitstein
In der Philippsburg zu Ehrenbreitstein, der alten Residenz der Trierer Kurfürsten, war es niemals recht geheuer. Als der letzte der Kurfürsten, Clemens Wenzeslaus, seinen Wohnsitz nach dem neuen Koblenzer Schloß verlegte, da mag der Gedanke an die Geister von Philippsburg ihm den Entschluß dazu erleichtert haben.
Der Kurfürst Johann Hugo von Orsbeck, einer der Vorgänger des Clemens Wenzeslaus, hatte einmal in Ehrenbreitstein ein ganz seltsames Erlebnis. Am Dreikönigstage des Jahres 1701 wurde in der Schloßkirche das Fest des ewigen Gebetes gefeiert, das nach damaligem Brauch um 4 Uhr nachmittags seinen Anfang nahm. Wichtige Amtsgeschäfte brachten es mit sich, daß der Kurfürst erst gegen Mitternacht dazu kam, seine Betstunde zu halten. Er fand die Kirche hell erleuchtet, am Altare brannten die Kerzen. Endlich öffnete sich lautlos die Türe der Sakristei, und es kamen drei Priester hervor, die in den kostbarsten Gewändern zum Altare schritten. Über das Ungewöhnliche dieses Vorganges verwunderte sich der Kurfürst sehr; auch kam es ihm so vor, als habe er keinen der drei Herren je gesehen.
Nach einer kurzen Anbetung setzten sich die Priester stumm nieder. Der Kurfürst machte ihnen ein Zeichen, mit dem Dienste zu beginnen, doch er erhielt zur Antwort: »Wir warten noch auf einen Mitbruder!« Das alles kam ihm ganz absonderlich vor, und er ging in die Sakristei, um nachzusehen, wer doch jener sei, auf den die drei am Altare warteten. Da erblickte er eine Gestalt, die in Größe, Gewand und Gesichtszügen sein vollkommenes Ebenbild war. Durch eine Türe, zu der nur er den Schlüssel trug, ging die Gestalt in die Kirche. Er folgte ihr, fand aber die Türe fest verschlossen, und selbst mit seinem Schlüssel konnte er sie nicht öffnen.
Tiefer Schreck überfiel nun den Kurfürsten; er stieg auf die Empore über dem Chor, um von dort aus die Herren am Altare genauer zu betrachten. Endlich erkannte er in ihnen drei längst verstorbene Amtsbrüder, die bei seiner Bischofswelhe die heiligen Handlungen vorgenommen hatten. Auch unter den anwesenden Gläubigen erkannte er die Gesichter von alten Freunden und Bekannten, die lange im Grabe ruhten. Und als der feierliche Dienst beendet war, da kamen seine verstorbenen Eltern, umgeben von ihren Kindern, Hand in Hand durch das Kirchenschiff.
Mit einem Schlage war darauf alles in der Kirche verändert. Die Wände waren schwarz ausgeschlagen wie zu einer feierlichen Trauermesse. Herzbeklemmend erklang das dies irae. In einem offenen Sarge sah der Kurfürst sich selber liegen, angetan mit den Zeichen seiner bischöflichen Würde. Tiefes Grauen überfiel ihn; er fühlte sich umweht von den geheimnisvollen Schauern der Ewigkeit; ganz gebrochen schleppte er sich in sein Schlafgemach.
Zehn Jahre später am Dreikönigstage starb Johann Hugo. Er liegt begraben vor den Stufen des Altares, den er den drei Heiligen aus dem Morgenlande zu Ehren in der hohen Domkirche zu Trier hatte errichten lassen.
Die glühenden Kohlen
In der Nähe eines Franziskanerklosters vor den Toren von Adenau wohnte einmal ein armer Bauersmann, dessen Weib in jungen Jahren gestorben war. Gern hätte der Witwer die Magd, die ihm das Hauswesen führte, und die er wegen ihre Tugendhaftigkeit und Schönheit von Herzen lieb gewonnen hatte, zum Weibe genommen. Doch er brachte es nicht über sich, das junge Blut zum Genossen seiner Dürftigkeit und Not zu machen.
Es war an einem frühen Morgen in der Adventszeit. Der Bauer hatte mit seiner Magd die Roratemesse in der nahen Klosterkirche besucht. Nach der Heimkehr machte er sich im Stalle zu schaffen, während die Magd in die Küche ging, um das Essen zu bereiten. Zu ihrem größten Erstaunen war die Glut auf der Herdstätte erloschen. Sie eilte sogleich mit der Kohlenpfanne nach der Klosterküche, um neue Glut zu holen. Doch siehe, am Wegrande vor der Klostermauer loderte ein helles Feuer empor. Schnell füllte sie die Pfanne mit glühenden Kohlen und lief nach Hause. Als sie wieder am Herde stand, waren die eben noch brennenden Holzkohlen kalt und schwarz geworden. Auch beim zweiten und dritten
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