Sagen aus dem Rheinland
Jahrhunderte neu erstanden ist, zu sehen.
Die Entstehung der Wupper
Einst schritt ein Gnom, den Stab in zarter Hand, durchs rauhe Land der Berge dahin. Den Menschen Wohltaten zu spenden, war sein unablässiges Bestreben. Allein ihm mangelte es an Speise, denn es war ein Hungerjahr. Da gewahrte ihn ein Weib, und, seine Not erkennend, bot sie ihm würzige Erdbeeren, welche sie im fernen Tale für ihre Kleinen gepflückt hatte. Hoch erfreut aß der Zwerg, gewährte aber dem Weibe aus Dankbarkeit die Gewährung eines Wunsches. Dessen Verlangen war nun nicht auf Gold gerichtet. Darum erbat sie das Wohlwollen des Gnomenkönigs für ihre Kinder und dies rauhe, unwirtliche Land. Der König gewährte die Bitte und befahl dem Weibe, an dieser Stelle zu graben. Kaum hatte es mit der Arbeit begonnen, als ein wasserreicher Quell hervorsprudelte, der munter zu Tal hüpfte. »Dieser Quell«, sprach der Gnom, »wird das Glück Deiner Kinder sein. Denn sein Wasser wird bald zum kräftigen Fluß erstarken, der Segen verbreiten und Gold und Silber hervorzaubern wird. Namentlich wird der Ort beglückt werden, wo Du mir die Erdbeeren gepflückt hast. Weit wird einst der Ruhm Elberfelds durch die Welt dringen.«
Da verschwand der Gnom.
Die Entstehung des Siebengebirges
In uralter Zeit lag oberhalb Königswinter ein großer See, der zur Zeit der Schneeschmelze oft Schaden anrichtete. Die Uferbewohner aus der Eifel und vom Westerwald faßten daher den Plan, ihn abzuleiten. Da dies Werk aber Menschenkraft überstieg, wandten sie sich an die Riesen, denen sie hohen Lohn versprachen. Sieben von ihnen kamen. Sie trugen gewaltige Schaufeln auf den Schultern und machten sich alsbald an die Arbeit. Nach ein paar Tagen hatten sie schon eine tiefe Scharte in das Gebirge gegraben. In die Vertiefung drang das Wasser und vollendete das Werk der Riesen. Der See floß ab. Wo früher seine Fluten gespült hatten, lag nun fruchtbares Land. Die dankbaren Uferbewohner schleppten den Lohn für die Riesen herbei. Diese teilten ihn brüderlich, und jeder von ihnen schob seinen Anteil in seinen Reisesack. Ehe sie Abschied nahmen, klopften sie noch Erdreich und Gestein, die an den Spaten hafteten, ab. Dadurch entstanden sieben Berge, die man noch heute am rechten Rheinufer sehen kann.
Die Felsenkirche
Auf steilem Felsen über dem Nahestädtchen Oberstein stand in alten Zeiten ein stolzes Grafenschloß. Dort lebten einmal zwei Brüder, Emich und Wyrich, die waren einander in treuer Liebe zugetan. Bei einem Turnier, auf dem sie Seite an Seite kämpften und sich hohen Ruhm erwarben, lernten sie ein junges Edelfräulein von der Burg Lichtenberg kennen. Das Schicksal fügte es, daß beide die Schöne liebgewannen. Mit der Liebe zog aber auch die Eifersucht in ihre Herzen ein, und es dauerte nicht lange, da schauten sie sich nicht mehr mit freundlichen Augen an. Als der Zufall sie einmal im Erkerzimmer der Burg zusammenführte, da flammte der Haß zwischen ihnen wild auf. Wyrich packte den Bruder und schleuderte ihn hinab in den schauerlichen Abgrund. Mit zerschmetterten Gliedern blieb Emich am Fuße des Burgfelsens tot liegen.
Die furchtbare Tat lastete schwer auf dem Mörder, und das vergossene Bruderblut ließ ihn nicht mehr zur Ruhe kommen. Wie Kain irrte er unstet und flüchtig umher. Auch eine Fahrt ins heilige Land brachte seiner Seele den Frieden nicht. Da traf er einmal einen Einsiedler, dem er seine bittere Herzensnot klagte. Der kluge Greis gab ihm den Rat: »Achte auf deinen nächsten Traum. Was Gott dir in seiner Weisheit und Güte eingeben wird, das tue!«
Bald nachher sah der Ritter im Schlafe sich selbst, wie er mit Meißel und Hammer eine Grotte in einen Felsen schlug und in die tiefe Höhlung eine Kirche baute. Als er erwachte, erinnerte er sich an den Rat des Klausners und machte sich sofort ans Werk. Mit unermüdlichem Fleiß führte er am steilen Hange über der rauschenden Nahe Schlag auf Schlag gegen den harten Felsen. Oft wollten ihm die müden Hände beinahe den Dienst versagen, doch nach einem kurzen Gebet griff er immer wieder mit neuem Mute nach Brecheisen und Schlägel. An einem heißen Sommertag sehnte er sich bei der harten Arbeit nach einem Trunke frischen Wassers. Siehe, da sprudelte aus einem Felsspalt eine klare Quelle hervor. »Herr, du bist gütig und allmächtig«, sprach der Ritter voll Zuversicht, als er das wunderbare Zeichen sah, »du kannst mir auch Verzeihung meiner schweren Sünde gewähren.« Mit allen Kräften
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