Sagen aus dem Rheinland
stand ein schwarzer zottiger Bock mit feurigen Augen vor ihnen. »Steige auf seinen Rücken«, sagte der Alte, »und packe ihn fest bei den Hörnern. Wenn dich etwas unterwegs erschreckt, dann sprich nicht das Wort aus, das eine Mutter sagt, wenn sie unversehens in Gefahr kommt. Fluche lieber, soviel du willst, in drei Teufels Namen.«
Im nächsten Augenblick erhob sich der Bock in die Lüfte, und fort ging es mit Windeseile nach Westen. Plötzlich ging die Fahrt in die Tiefe. Der Soldat erschrak und rief: »Jesses!« Da warf der Bock ihn ab. Er fiel zum Glück in ein dichtes Gebüsch und kam so mit dem Leben davon. Als er sich erheben wollte, merkte er, daß er ein Bein gebrochen hatte. Am Morgen kam ein Bauer mit seinem Fuhrwerk vorbei. Der sagte ihm, daß er am Rande des Jülicher Waldes liege, und brachte ihn zu seinen Eltern.
Die drei Jungfrauen von Landskron
Auf der Burg Landskrone an der Ahr wohnte einmal ein mächtiger Graf, der hatte drei liebliche Töchter, denen es an Freiern nicht fehlte. Um die Hand der jüngsten bewarb sich ein benachbarter Ritter, der aber kein Gehör fand und daher auf blutige Rache sann.
Eines Tages zog der Graf mit seinen Knappen auf die Jagd. Da überfiel der abgewiesene Freier mit seinen Leuten die Burg. Ungestüm polterte er von einem Gemach zum andern, doch die Gesuchte fand er nicht. In seiner wilden Wut ließ er das Schloß plündern und in Brand stecken.
Den Schwestern war es rechtzeitig gelungen, durch ein geheimes Pförtchen in der Ringmauer zu fliehen und in einer nahen Felsenkluft Schutz zu suchen. Doch auch dorthin fand der Rasende im Feuerschein der brennenden Burg den Weg. Die Jungfrauen, die sich in ihrer Herzensangst im fernsten Winkel der Schlucht verborgen hatten, vernahmen alsbald vom Eingang her drohende Rufe und Waffengeklirr. In dieser großen Not konnte nur Gott ihnen helfen. Engumschlungen knieten sie nieder und flehten inbrünstig um seinen Schutz. Und siehe, die Felswand teilte sich wie ein Vorhang; eine dunkle Grotte wurde sichtbar und nahm die Schwestern bergend auf. Nach einer Weile verhallten Schwertgerassel und Verwünschungen in der Ferne.
Mittlerweile war der Graf von der Jagd zurückgekehrt. Schon von weitem hatte er die rauchenden Trümmer seiner Burg gesehen. Er jagte dem FrevIer nach und tötete ihn im Zweikampfe. Dann suchte er nach seinen Töchtern, doch all sein rastloses Forschen war vergeblich. Er durchstreifte die Wälder zu beiden Seiten der Ahr, er räumte den Schutt der zerstörten Burg hinweg, er stieg sogar ins tiefe Burgverlies hinab, nirgendwo fand er eine Spur der Verschwundenen.
Endlich, in der dritten Nacht nach jenem Schreckenstage, zeigte ihm ein Engel im Traume das Versteck seiner Töchter. Noch ehe der Tag graute, machte er sich froher Hoffnung voll auf den Weg nach der Schlucht, und schon bald schloß er die Wiedergefundenen beglückt in seine Arme. An der Stelle aber, wo Gott durch ein Wunder die verfolgte Unschuld gerettet hatte, ließ er eine Kapelle erbauen, die noch heute weißglänzend vom Gipfel des Burgberges ins Ahrtal hinabschaut.
Die Ebernburg
Unweit der Badestädte Kreuznach und Münster am Stein, im Winkel von Nahe und Alsenz, steht die stolze Ebernburg. Dort wohnte um das Jahr 1500 Franz von Sickingen, das Oberhaupt des schwäbischrheinischen Ritterbundes, ein tatkräftiger Schirmherr der Reformation. Viele Anhänger der neuen Lehre fanden bei ihm Schutz vor Verfolgung und eine gastliche Freistätte, darunter auch Ulrich von Hutten, der den Ebernburger zum Kampf gegen die geistlichen Fürsten am Rhein aufrief.
Einst wurde die Ebernburg belagert. Viele Wochen lang rannten die Feinde vergebens gegen ihre starken Mauern an. Den Belagerern blieb schließlich die einzige Hoffnung, Sickingen mit seinen Mannen auszuhungern; allzu groß konnten die Lebensmittelvorräte auf der Burg nicht mehr sein. Aber die Zeit bis zur Übergabe wurde den Feinden doch lange gemacht. Tag für Tag mußten sie sehen, wie die Burgmannen ein großes Schwein zum Hof hinausführten und zum Abstechen niederwarfen; gleichzeitig vernahmen sie ein lautes quiekendes Geschrei. Hätten sie geahnt, daß ihnen mit einem einzigen Borstentier, einem stattlichen Eber, solch Schauspiel immer von neuem vorgeführt wurde, dann würden sie die Belagerung nicht so bald aufgegeben haben. So aber gelang die Täuschung, und der Feind zog ab.
Des Ebers Bild, in Stein gehauen, ist noch jetzt am Eingang der Burg, die zum Teil aus dem Schutt vergangener
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