Sagen aus dem Rheinland
Kamin.
Seit diesem Tage schleicht die Katze noch immer umher und sucht die verlorene Pfote, um den Zauber lösen zu können; in dem Häuschen neben dem Kloster aber schlief bis zu seinem Tode jener törichte Mann, der seinen Zauberring verliehen hatte.
Die älteste Kohlengrube an der Ruhr
Nicht weit von Langenberg an der Ruhr hütete einmal ein junge die Schweine. Es war im Spätherbst, und der Wind wehte kalt. Da dachte der junge ein Feuer anzuzünden, um sich zu wärmen. Aus einem nahen Wäldchen schleppte er dürres Reisig herbei. Dann sah er sich nach einer Stelle für sein Feuerchen um. Am Fuße eines Baumes hatte eine Mutte, so nennt man dort die Sau, ein tiefes Loch gewühlt; das schien dem jungen die geeignete Stelle zu sein. Bald loderte ein helles Feuer empor.
Als der Schweinehirt seine Herde heimtrieb, brannte das Feuer noch immer, obwohl der Holzvorrat längst aufgebraucht war. Der junge wunderte sich sehr darüber. Am folgenden Morgen, als er die Schweine wieder zur Weide trieb, wunderte er sich noch mehr; denn das Feuer war noch nicht erloschen. Es erhielt sich aber nicht durch Holz, sondern durch schwarze Erde. Das erzählte der junge seinem Vater; der kam und fand in dem Loch zu seiner Freude gute Kohle. Er legte an dieser Stelle eine Grube an, die noch heute besteht. Sie ist das älteste Kohlenbergwerk an der Ruhr und führt den Namen »Op de Mutte«.
Die Bäckerjungen von Andernach
Einst zogen die Linzer gegen ihre Erbfeinde, die Andernacher, zum Streite. Bei grauendem Morgen kamen sie vor die Tore der feindlichen Stadt. Sie wähnten die Bewohner noch in den Federn; doch sie hatten die Rechnung ohne die fleißigen Bäcker gemacht, die seit dem ersten Hahnenschrei in ihren Backstuben hantierten, und deren jungen die frischen Wecken schon von Haus zu Haus trugen.
Zwei der Burschen, die ihren Rundgang beendet haben, steigen zum Vergnügen auf den Torturm am Rheinufer. Von dort aus sehen sie die vorsichtig heranschleichenden Linzer. Sogleich reißen sie mit aller Kraft am Strang der Sturmglocke. Dann aber werfen sie den Feinden die auf der Mauerbrüstung stehenden Bienenkörbe auf die Köpfe. Die gereizten Immen stechen wütend drauf los, und alsbald wenden sich die Linzer vor solch grimmigem Feinde zur Flucht. Gepeinigt von rasendem Schmerz, mit dikken Mäulern und verbeulten Gesichtern sitzen sie nach kurzer Zeit reihenweise am Rheinufer, um die Qual durch Kühlung zu lindern. Von der Andernacher Stadtmauer her aber tönt lautes Hohngelächter.
Das Lob der tüchtigen Bäckerjungen klingt noch heute fort; ihr Andenken ist durch ein Steinbild am Rheintor für immer gesichert.
Die Bockreiter
In den Ländern links des Niederrheines verbreiteten in alten Zeiten die Bockreiter Furcht und Schrecken. Sie waren eine Verbrecherzunft, die durch strenge Gesetze zusammengehalten wurde. Bei ihrer Aufnahme in die Zunft mußten sie Gott absagen und sich dem Teufel verschreiben. Der höllische Geist stand ihnen bei. Er trug sie in der Gestalt eines schwarzen Bockes an die Orte ihrer Verbrechen und wieder zurück, so daß es nur selten gelang, einen von ihnen der strafenden Gerechtigkeit zuzuführen.
Daß die Bockreiter mit des Teufels Hilfe Wunder vollbringen konnten, erfuhr ein junger Bursch aus Jülich, der den Werbern des Preußenkönigs in die Hände gefallen und nach Spandau gebracht worden war. Als er dort sieben Jahre lang Kommißbrot gegessen hatte, wurde seine Sehnsucht nach Freiheit so groß, daß er es fast nicht mehr aushalten konnte. Das merkte ein alter Korporal, ein Landsmann des Jülichers aus Herzogenrath. Der redete ihn eines Tages an und sagte: »Kamerad, du willst heim, ich sehe es dir an. Ich will dir zur Flucht verhelfen. Ich bin Bockreiter und erwarte dich in der kommenden Nacht um die zwölfte Stunde auf der Bastei. Wenn du tust, was ich dir sage, dann wirst du morgen früh vor dem ersten Hahnenschrei in deines Vaters Haus sein.« Der junge Soldat hatte in seiner Heimat viel seltsame Geschichten von den Bockreitern gehört. Seine Großmutter hatte ihm erzählt, daß zwei von ihnen einmal abends dem Sultan in Konstantinopel die Wäsche gestohlen und sie am nächsten Morgen auf dem Markt in London fellgeboten hätten. Dem Soldaten widerstrebte es zwar, sich einem Bockreiter anzuvertrauen, doch war sein Heimweh so übermächtig, daß er sich um Mitternacht an der verabredeten Stelle einfand. Der Korporal kam ihm schon entgegen. Er winkte mit einem Stock, und im nächsten Augenblicke
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