Sagen aus Niederösterreich
du mich dafür jede Nacht in deiner Mühle mahlen läßt.«
Der Müller dachte über dieses Verlangen nicht weiter nach und willigte ein. Der Vertrag wurde geschlossen, und in der folgenden Nacht kam richtig der Teufel in die Klausenmühle und holte die böse Müllerin.
Erfreut rieb sich der Müller die Hände und meinte vergnügt bei sich selbst: »Nun ist Ruhe im Haus, jetzt werde ich endlich ein friedliches Leben führen.«
Aber bald mußte er erkennen, daß er einen schlechten Handel eingegangen war. Denn von nun an hatte er keine ruhige Nacht mehr; der Lärm und das Toben wurden oft so schrecklich, daß er gern sogar seine zänkische Frau wieder zurückgenommen hätte, wenn er dafür den Teufel mit seinem nächtlichen Spuk losgeworden wäre.
Allnächtlich, wenn die zwölfte Stunde schlug, erschien ein mit Säcken beladener sechsspänniger Wagen vor der Mühle. Das eine Pferd des vordersten Gespanns war ein achtfüßiger Schimmel, auf dem ein einäugiger Mann ritt. Sobald die Fuhre vor dem Haus stand, sprang der Fuhrmann vom Pferd, hinkte zum Wagen und klatschte in die Hände. Auf dieses Zeichen erschien alsbald der Teufel, der mit dem andern die Säcke in die Mühle trug und in den Trichter leerte. Das ging nicht ohne Fluchen und Schimpfen. Aber wenn sich die Räder der Mühle dann zu drehen begannen, gab es erst recht ein fürchterliches Poltern und Rumpeln, das die ganze Nacht bis zur Morgendämmerung währte.
Eines Nachts versteckte sich der Müller hinter dem Trichter, um zu erfahren, was die Säcke des Teufels eigentlich enthielten. Er erschrak nicht wenig, als er sah, wie lauter unheimliche Totenschädel aus den Säcken in den Trichter kollerten. Dann vernahm er ein Zwiegespräch, das der Teufel mit einem Helfer führte. »Nun wird es nicht mehr lang dauern, daß auch der Schädel des Müllers an die Reihe kommt«, sagte der Satan zu dem hinkenden Gesellen, und dieser grinste höhnisch dazu.
Nun war's mit der Fassung des Müllers vorbei. Mit wankenden Knien schlich er in seine Schlafkammer, ohne Schlaf oder Ruhe zu finden. Gleich am nächsten Morgen eilte er zu seinen Nachbarn und bat sie, ihm gegen die beiden nächtlichen Ruhestörer zu Hilfe zu kommen. Bei Einbruch der Dunkelheit bewaffneten sich die Bauern mit Knütteln und versteckten sich in der Mehlkammer. Als um Mitternacht der Teufel mit dem einäugigen Fuhrmann die vollen Säcke die Stiege hinaufschleppte, sprangen die Bauern aus ihrem Versteck hervor und erschlugen den Hinkenden. Auch der Teufel bekam seine Prügel, ließ seine Säcke im Stich und fuhr zur Tür hinaus, nicht ohne den toten Fuhrmann mit sich zu nehmen. Den warf er hurtig auf den Wagen und raste davon, um sich nie wieder blicken zu lassen.
Seit dieser Zeit nannte man die Mühle in Klausen die »Schädelmühle«.
Die schöne Mira von Muckendorf
Schön-Mira war die Tochter eines reichen Bauern in Muckendorf.
Schön war sie, ein reiches Erbe stand in Aussicht, was Wunder, daß sich die Bauernsöhne aus nah und fern um ihre Hand bewarben. Die hübschesten Burschen im Ort hatten versucht, die stolze Maid für sich zu gewinnen. Sie hatten alle mit betrübten Gesichtern abziehen müssen. Miras Sinn stand höher. Der schmucke Ritter Georg von Stolzenfels von der nahen Burg auf dem Petersberg machte ihr ernstlich den Hof, und Mira hoffte, die Gattin des jungen Ritters zu werden. »Wer weiß«, dachte sie, »ob ich nicht schon längst als stolze Rittersfrau oben auf der Burg säße, wenn der alte Stolzenfelser nicht so hartnäckig gegen eine Heirat seines Sohnes mit mir wäre.«
An einem heißen Sommertag ging Mira das Tal aufwärts, um eine Freundin aufzusuchen, die jenseits des Unterberges wohnte. Auf halbem Weg setzte sie sich unter einer breitästigen Linde nieder, um ein wenig auszuruhen. An dem Baum war ein Marienbild angebracht. Mira betrachtete das Bild in Gedanken verloren und meinte bei sich: »Ja, du heilige Gottesmutter bist schön, aber ich, die Mira von Muckendorf, bin noch schöner als du.« Kaum hatte sie diese frevelhaften Worte gesprochen, als ein unerklärliches banges Grauen sie faßte. Eine schwere schwarze Wolke zog über dem Gipfel des Unterberges auf, ein heulender Sturmwind sauste den Hang erab, umfaßte die zitternde Maid und führte sie in der Luft das Tal hinauf. Voll Entsetzen erblickte sie plötzlich eine steile Felswand am Berg, in der eine finstere Öffnung gähnte. Hier trug sie der Sturm hinein, und die Felsen schlossen sich wieder hinter dem zu
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