Sagen aus Niederösterreich
mit der armen Alten zu teilen. Aber siehe da! Aus dem häßlichen alten Weib war eine wunderschöne Fee geworden, die die mitleidige Maid liebreich an ihr Herz zog und so mit Reichtümern überhäufte und obendrein mit solcher Schönheit ausstattete, daß sie bald die Braut eines bildhübschen jungen Grafensohnes wurde, mit dem sie in glücklichster Ehe lebte.
Die Teufelsmauer bei St. Johann in der Wachau
Nicht bald war dem Teufel etwas so zuwieder wie das Kirchlein von St. Johann in der Wachau. Dort hatte der heilige Albinus, der Patron der Donauschiffer, seinen Wohnsitz aufgeschlagen und lockte durch den Ruf der vielen Wundertaten, die seiner gnädigen Fürbitte beim Herrn zu verdanken waren, viele Gläubige, ja ganze Prozessionen an, die ihm ihre Verehrung darbrachten und seine Fürsprache erflehten.
»Dieses ganze fromme Getue, flatternde Fahnen, geistliche Gewänder, Bittgesänge, Dankeshymnen – das alles wächst mir schon zum Halse heraus«, fluchte der Höllenfürst eines Tages grimmig vor sich hin, als er, hinter einem Felsblock kauernd, wieder einen langen Zug betender Wallfahrer wandern sah. »Nun will ich ernstlich darangehen, diesem ärgerlichen Treiben, das mir ständig die Laune verdirbt, ein Ende machen.« Und er faßte den Entschluß, oberhalb Spitz eine Mauer quer über die Donau bis zur roten Wand unter St. Johann aufzurichten, damit die aufgestauten Wasser des Stromes das Kirchlein überschwemmen und jeden Zuzug unmöglich machten. Der Herr erlaubte ihm seinen Plan unter der Bedingung, daß der Bau während einer Nacht bis zum dritten Hahnenschrei vollendet sei. Der Teufel aber gedachte, dem lieben Gott ein Schnippchen zu schlagen, und kaufte alle Hähne in der Umgebung auf, um durch ihr Krähen in seinem Werk nicht behindert zu sein. Nur eine alte Frau in St. Johann ließ sich um alles Geld nicht bewegen, ihren Hahn herzugeben. »Der einzige Hahn kann nicht mehr viel schaden«, dachte der Teufel und gab den Versuch auf, die Alte umzustimmen.
Wohlgelaunt machte er sich am Abend an die Arbeit; viele höllische Geister mußten ihm dabei helfen. Das war in dieser Nacht ein Gerumpel und Gepolter, wie man es ihn der Wachau noch nie gehört hatte. Die schwarzen Handlanger des Satans brachten mächtige Felstrümmer von den Höhen des Jauerlings los und schleuderten sie mit furchtbarem Getöse ins Tal hinab, daß das Gebirge erbebte. Der Teufel packte mit seinen kralligen Tatzen mit unerhörter Hast zu und türmte Stein auf Stein. Unheimlich schnell wuchs die gewaltige Mauer, und als der Morgen graute, war das riesige Werk fast vollendet.
Plötzlich aber krähte der einzige Hahn, der in St. Johann übrig geblieben war. Er hatte sich sogar auf den Kirchturm gesetzt. Wütend verdoppelte der Teufel seinen Eifer, da krähte der Hahn zum zweitenmal. Und als bald darauf der dritte Hahnenschrei ertönte, schleuderte der Schwarze in grimmigem Zorn über das Mißlingen seiner Arbeit den Felsblock, en er eben in Händen hielt, mitten in die Donau, daß das Wasser hoch aufspritzte, und schoß dem Hahn auf dem Kirchturm fluchend einen Pfeil in den Hinterleib, der heute noch im Körper des Turmhahns steckte. Dann fuhr er heulend zur Hölle.
Von seinem verunglückten Werk ist ein kleines Stück am linken Donauufer stehen geblieben, das die »Teufelsmauer« genannt wird.
Die vergessene Kapelle auf Burg Scharfeneck
Müd und matt, gebrochen an Leib und Seele, ritt einst ein armer Ritter durch den Wald, der die Umgebung von Baden bedeckte. Er besaß keine Burg, hatte kein Heim und nannte nichts sein Eigen als die gute Klinge, die an seiner Seite hing. Sein Pferd hatte er in der Verzweiflung über sein trauriges Los fast zuschanden geritten. Nun sank er auf dem moosigen Waldesboden nieder und verwünschte das düstere Geschick, das gerade ihn mit solcher Armut und Not bedacht hatte.
»Ich habe jede Hoffnung auf eine Wendung zum Bessern verloren«, stöhnte er vor sich hin. »Wenn sich doch wenigstens der Teufel meiner annehmen möchte!« Kaum war dieser frevelhafte Wunsch seinen Lippen entflohen, stand der Böse leibhaftig vor ihm und sagte in heiserem Tone: »Da bin ich. Was willst du von mir?«
Der Ritte hatte in seinem Leben schon so viel Leid und Entbehrungen mitmachen müssen, daß ihn dünkte, es könne nichts Böseres mehr nachkommen. Daher war er über die unheimliche Erscheinung gar nicht erschrocken und verlangte ohne Zaudern mit fester Stimme: »Verschaffe mir sogleich eine Burg mit allem und jedem, was
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