Sagen aus Schwaben
seinem Namen ruft, weicht das Schrättele von ihm und er erwacht.
In manchen Gegenden heißt man das Schrättele auch Drückerle, so im Filstal, im Lenninger und Neidlinger Tal; in Hohenstaufen wird es Nachtmännle genannt. Das Schrättele geht als Strohhalm, als Henne oder auch unsichtbar. Als Strohhalm kommt es durch alle Schlüssellöcher.
Das Schrättele von Obersdorf im Allgäu
In Obersdorf im Allgäu lebte einst ein Bursche, der des Nachts oft von einem Schratt geplagt wurde. Obgleich er am Abend seine Kammer gut verschloß und selbst das Schlüsselloch zustopfte, kam der Schratt doch immer wieder. Da suchte der Junge die Kammerwand ab und fand in einem Brett ein kleines Astloch.
Als nun der Schratt bei Nacht wieder kam, steckte der Jüngling einen Zapfen in das Astloch, damit der Schratt gefangen sei und nicht mehr hinaus könne. Gleichzeitig warf er ein Kissen auf den Boden.
Am andern Morgen saß ein schönes Mädchen auf dem Kissen. Sie wußte nicht, wer sie sei und woher sie komme. Da sie aber einen guten Eindruck machte, behielt man sie als Magd im Haus. Sie war stets fleißig und brav, und darum gefiel sie den Leuten gut, vor allem dem Sohn. Der nahm sie bald zu seiner Frau.
Beide lebten lange Zeit glücklich miteinander, wenn auch das junge Weib wie an einem heimlichen Gram litt. Da fragte sie ihr Mann eines Tages, warum sie denn so traurig sei. Die Frau antwortete: "Wenn ich nur wüßte, wer ich bin, woher ich stamme und wie ich in dieses Haus gekommen bin."
Nun führte sie der Mann in die Kammer, zeigte ihr das Astloch und zog das Zäpflein heraus mit den Worten: "Sieh, da bist du hereingekommen."
Kaum hatte das Weib diese Worte gehört, da fuhr es durch das Astloch hinaus, und das Schrättele kehrte niemals wieder.
Das Seemännlein von Hutzenbach
Nach Hutzenbach kam häufig ein Seemännlein vom nahen See in das Haus eines Bauern und schaffte dort. Es fütterte nachts das Vieh, reinigte den Stall und machte sich auch auf der Heubühne zu schaffen. Im Winter setzte es sich auch an den Webstuhl und wob. Weil es aber immer so zerlumpt und zottelig daherkam, dachte der Bauer, er müsse dem Seemännlein auch einmal eine Freude machen und ließ ihm auf Weihnachten ein Häs nähen: einen Kittel, eine Weste und eine Hose. Abends legte er ihm den ganzen Anzug auf die Treppe. Da nahm das Seemännlein zwar das Häs, sagte aber zugleich, damit sei es ausgezahlt und könne jetzt nicht mehr kommen. Seit der Zeit hat es sich im Haus nicht mehr blicken lassen.
Ebenso hat der Müller aus Schwarzenberg das Seemännle, das ihm lange Zeit mahlen half, vertrieben, weil er ihm einen Kittel schenkte. Da weinte das graue Männlein und sagte: »Jetzt habe ich meinen Lohn und kann nicht mehr kommen!« und ist seit der Zeit auch nie -wieder gesehen worden.
Das Silberglöcklein auf der Stuttgarter Stiftkirche
Auf den Höhen um Stuttgart standen einst sieben Burgen. Eine von ihnen hieß die Weißenburg. In dieser wohnte eine Edelfrau. Die hatte sich einst im Walde verirrt und kam nicht mehr heim. Da nahm ihre Tochter ihr sämtliches Silbergeschmeide, brachte es zum Silberschmied und ließ daraus ein silbernes Glöckchen machen. Als es fertig war, hing man es in den höchsten Turm der Burg. Die Tochter läutete es selbst täglich abends um neun Uhr und nachts um zwölf Uhr, damit der Klang von der Mutter gehört werde als Zeichen des Heimwehs der Tochter. Aber die Mutter hörte das Glöcklein nicht und kam nicht wieder, solange das Edelfräulein lebte. Daher setzte die Tochter, nachdem sie viele Jahre gewartet hatte, in ihrem Vermächtnis fest, daß das Glöcklein auf dem Turm der Stuttgarter Stiftskirche ganz oben aufgehängt werde, wenn einmal die Weißenburg nicht mehr stehe. Dazu setzte sie zweihundert Gulden aus für den Mesner, der das Glöcklein zu läuten habe.
Und als sich nach zweihundert Jahren eine Prinzessin im Walde verirrte und an dem Klang des Glöckleins den Weg nach Hause wiederfand, da wurde die Stiftung erneuert, und noch heute klingt des Glöckleins heller Ton über die Stadt.
Das silberne Messer
Bei Fleischwangen in der Federseegegend, da wo einst die Burg des Ritters Hans von Ringgenburg stand, erschien vor Zeiten oft ein schönes Fräulein in schwarzseidenem Gewand auf dem Felde bei den Schnittern und brachte ihnen einen Krug Wein und ein Laiblein schneeweißen Brotes. Das Fräulein hatte alleweil ein silbernes Messerlein dabei und sagte immer dazu: »Gebt mir mein Messerlein wieder, sonst
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