Sagen aus Schwaben
sie in ihren Busch zurück und sang:
Kommt und erlose deine Braut, Hüte dich wohl zu erschrecken! Sebald, nimm dich wohl in acht! Einmal war es recht gemacht.
Nun verschwand sie, Sebald ging heim, sagte aber nichts von seinem Erlebnis. Am andern Morgen eilte er in den Stollenberger Wald; Melusine sang wie tags zuvor, und er näherte sich ihr. Diesmal hatte sie jedoch Flügel und einen Drachenschweif. Trotzdem trat er furchtlos auf sie zu und küßte sie dreimal. Sie bedankte sich wieder wie am ersten Tag und versank in die Erde. Am dritten Tag hatte sie einen scheußlichen Krötenkopf, und ein Drachenschwanz umschlang furchtbar ihren Leib. Da erfaßte Sebald ein Grauen vor dem giftdräuenden Ungeheuer, und er rief abwehrend: "Kannst du dein menschliches Antlitz nicht entblößen, so kann ich dich nicht küssen."
"Nein!" rief Melusine und streckte mit lautem Schrei ihre Arme nach ihm aus. Da floh Sebald, von Entsetzen gepackt, den Berg hinunter. Atemlos kam er bei seinem Vater in der Burg an. Als er nun sein Erlebnis erzählte, wurde er vom Vater wegen seiner Furchtsamkeit gescholten.
Zwei Jahre vergingen. Sebald suchte den Stollenberger Wald nicht mehr auf, denn er fürchtete die Rache der von ihm betrogenen Waldfrau. Auf Wunsch seines Vaters heiratete er die Tochter eines Amtsvogtes. Die Hochzeit wurde im Schloß Staufenberg abgehalten. Als aber die Gesellschaft fröhlich beim Schmause saß, spaltete sich die Decke des Saales, und ein Tropfen fiel auf Sebalds Teller. Sebald aber hatte es nicht bemerkt und aß weiter. Da fiel er plötzlich tot nieder. Zu gleicher Zeit zog sich ein kleiner Schlangenschwanz in die Decke zurück.
So rächte sich die verzauberte Melusine an dem Mann, der ihre Hoffnung auf Erlösung enttäuscht hatte.
Die sieben Jungfrauen zu Vöhrenbach
In vergangenen Zeiten ließen sich in der Nähe der Stadt Vöhrenbach sieben Jungfrauen nieder und führten da ein frommes, klösterliches Leben. In der Stadt war um diese Zeit eine Verwilderung der religiösen Sitten eingetreten. Die Jungfrauen versuchten daher, die Bevölkerung dem christlichen Lebenswandel zurückzugewinnen. Dabei aber schufen sie sich viele Feinde. Vor allem der Schultheiß Mändle war ihnen nicht gut gesonnen.
Auf seinen Befehl nahm man sie gefangen und versuchte durch Folter, ja durch Androhung des Todes, sie von ihrem Vorhaben abzubringen. Als dies alles ohne Wirkung blieb, ließ man falsche Zeugen auftreten und die Jungfrauen der Hexerei bezichtigen. So kam es, daß sie trotz ihrer Unschuld zum Tode durch Verbrennen verurteilt wurden. Bevor man den Scheiterhaufen entzündete, sprach eine der Jungfrauen: »So gewiß wir unschuldig sind, so gewiß wird Vöhrenbach dreimal verbrennen!« Auch die anderen Jungfrauen sagten nacheinander Schlimmes voraus: Das Geschlecht der Mändle werde aussterben, das Stadtgericht verloren gehen, die Silbergruben und die Obstbäume würden nicht mehr ergiebig sein und schließlich würden die Kirchen zerfallen. Ungeachtet dieser Voraussagungen verbrannte man zuerst sechs Jungfrauen; die siebte aber verschonte man in der Hoffnung, sie ihrem christlichen Glauben abspenstig zu machen. In der folgenden Nacht sah diese Jungfrau ihre Gefährtinnen in der himmlischen Herrlichkeit und beteuerte darauf vor den Richtern, daß sie niemals von Jesus Christus lassen werde. Da ward auch sie verbrannt. Zuvor warf sie vom Scheiterhaufen aus einen Bund von sieben goldenen Schlüsseln auf die Erde und rief: »So gewiß bin auch ich unschuldig, als an dieser Stelle ein Brunnen entstehen wird, wohin ich die Schlüssel werfe. Darin wird alle sieben Jahre am Karfreitag vor Sonnenaufgang ein Fisch mit den Schlüsseln um den Hals erscheinen. Mit den Schlüsseln kann man eine Goldkiste öffnen. Aber nur der kann den Fisch sehen, der ganz rein ist von Sünden!« Da entsprang an dieser Stelle eine Quelle. Auch die übrigen Vorhersagen der Verurteilten gingen in Erfüllung.
jetzt steht da, wo die Jungfrauen verbrannten, ein Michaelskirchlein, man nennt es auch die Siebenfrauenkapelle. Darin ist auf einem Votiv die Verbrennung dargestellt. Zur Kapelle wie zu dem Brunnen, der Heilkraft besitzt, macht man Wallfahrten; besonders tun das junge Mädchen, die gewöhnlich zu siebt miteinandergehen. In dem Brunnen ist auch der Fisch mit den Schlüsseln zu der Goldkiste schon gesehen worden. Wo diese Kiste jedoch verborgen liegt, ist niemandem bekannt.
Die Triberger Wallfahrt
Oberhalb von Triberg, auf einem Weg nach Schonach,
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