Sagen aus Schwaben
vergangen, und er traf zu Hause alles so verändert an, daß er sich nicht mehr auskannte.
Zu dem tiefen Schacht, der nach dem Untergang der Burg auf deren altem Platz geblieben war, kam einmal der Schäfer von Kreuzwertheim und erblickte in der Öffnung einen eisernen Handlauf, welcher über Stufen in die Tiefe führte. Er stieg hinab und kam in eine helle leere Stube. Daneben lagen einige weitere Zimmer. Als er weiterging, begegnete ihm eine alte Frau. Sie führte ihn durch viele prächtige Gemächer mit kostbaren Einrichtungen und in einen schönen Garten. Hier ließ sie ihn allein. Er blieb längere Zeit an diesem Ort. Endlich, nach langem Suchen, entdeckte er einen unterirdischen Gang und gelangte durch ihn ins Freie. Als er dann nach Hause kam, wollte seine Frau mit einem anderen Manne gerade Hochzeit machen. Sie hatte ihn längst für tot gehalten; denn nicht sieben Tage, wie er glaubte, sondern sieben ganze Jahre hatte er sich im Berge aufgehalten. Während dieser Zeit war ihm der Bart bis zum Gürtel gewachsen.
Einigen Buben aus Kreuzwertheim, die in der Nähe des Schachtes Vieh hüteten, kam die Lust an, zu erkunden, wie es im Berginnern aussehe. Sie flochten daher ein Seil aus Lindenbast und ließen daran einen von ihnen in den Schacht hinab. Wenn er an dem Seile zöge, sollten sie ihn wieder herausholen. Der Junge kam in eine Stube hinein, in der um einen Tisch mehrere Männer und Frauen in alten Trachten regungslos saßen; ebenso starr lagen zwei Hunde auf zwei Truhen hingestreckt, in deren Schlössern die Schlüssel staken. Der Junge erschrak furchtbar und ließ sich sofort wieder aus dem Schacht herausziehen. Er erkrankte hernach, und nach wenigen Tagen verstarb er.
Die Wetterglocke in Weingarten
In Weingarten hängt eine große Glocke. Drei Mann braucht man, um sie zu läuten. Die St. Galler wollten sie einmal kaufen. Sie boten so viel Kronentaler, als man von St. Gallen nach Weingarten aneinander legen könnte. Die Weingarter gaben die Glocke nicht her. Da kamen die von St. Gallen, stahlen die Glocke und brachten sie bis Friedrichshafen, dann aber keinen Schritt weiter. Unterdessen schlug das Wetter in Weingarten alles zusammen. Die St. Galler hätten die Glocke deswegen so gern gehabt, weil, sooft man in Weingarten die Glocke zog, die Gewitter von Weingarten weg alle in die Schweiz zogen.
Die Wurmlinger Kapelle
Graf Anselm von Kalw hatte angeordnet, daß man ihn, sobald er gestorben sei, in seinem Sarge von zwei "ungewohnten Ochsen", die noch nie einen Wagen gezogen hätten, sollte fortfahren lassen, und zwar ohne Kutscher. Wo die Ochsen dann stillstünden, dort solle man eine Kapelle bauen und alljährlich den Stiftungstag durch eine heilige Messe und durch ein großes Festessen, das er selbst genau vorgeschrieben hatte, feiern. Dieses Fest wurde später stets am Dienstag nach der großen Kirchweih abgehalten.
Der letzte Wille des Grafen wurde genau vollführt. Zwei junge Ochsen fuhren allein mit seiner Leiche von Kalw ab und standen erst auf dem jetzigen Remigiusberge bei Wurmlingen still. Dort wurde dem heiligen Remigius zu Ehren eine Kapelle erbaut, die zwar im Dreißigjährigen Kriege von den Schweden niedergebrannt, später aber wieder hergestellt wurde.
Heute ist sie allgemein bekannt durch das Gedicht von Uhland: "Drohen stehet die Kapelle."
Auf dem Heimenstein im Neidlinger Tal hauste einst der Riese Heim. Als er eines Morgens aufgewacht war und sein zottiges Haupt zur Höhle hinausstreckte, bekam er plötzlich Lust, auf einem Felsen auf der anderen Talseite ein Schloß zu erbauen. Mit einem einzigen Riesenschritt erreichte er den Felsen an der gegenüberliegenden Talwand. Von dort aus rief er mit dröhnender Stimme ins Tal hinab: "Ihr Menschenzwerglein, wer von euch arbeiten will, der soll zu mir heraufkommen und mir mein Schloß bauen helfen!"
Da erschienen Maurer und Zimmerleute, Steinhauer und Schlosser und nahmen die Arbeit freudig auf. Denn der Riese hatte Gold in Fülle und versprach reichlichen Lohn. Bald stand das Schloß fertig da und schaute stolz vom Reußenstein ins Tal hinab. Bald zeigte sich auch der Riese und beschaute das Werk. Alles war in schönster Ordnung, es gefiel ihm über die Maßen. Nur außen am obersten Fenster im höchsten Turm fehlte noch ein Nagel. Unwillig erklärte er: "Keiner soll seinen Lohn bekommen, ehe der letzte Nagel eingeschlagen ist." Aber niemand wagte es, die schwindelnde Höhe zu erklimmen und den Nagel einzuschlagen. Schließlich
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