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Sagen des klassischen Altertums

Sagen des klassischen Altertums

Titel: Sagen des klassischen Altertums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustav Schwab
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seines Freundes Patroklos fallen.
    Als der Held nun wieder in den Strom stürzte, nach neuem Würgen sich sehnend, begegnete ihm, eben aus den Fluten aufstrebend, Lykaon, der Sohn des Priamos, und Achill stutzte bei dem Anblick. Ihn hatte einst bei einem früheren nächtlichen Überfalle der Pelide im Obsthaine seines Vaters Priamos überrascht, wo er gerade wilde Feigensprossen zu einem Sesselrande seines Wagens schnitt. Damals entführte ihn Achill mit Gewalt und sandte ihn zu Schiffe nach der Insel Lemnos, wo der Sohn des Iason, Euneos, ihn als Sklaven an sich kaufte. Als nun ein anderer Sohn des Iason, Eëtion, Fürst von Imbros, seinen Halbbruder zu Lemnos besuchte, kaufte er den feinen Jüngling diesem um teures Geld ab und sandte ihn nach seiner Stadt Arisbe. Nachdem Lykaon hier einige Zeit gelebt, schlich er sich heimlich von dannen und rettete sich nach Troja. Es war der zwölfte Tag, daß er aus der Gefangenschaft zurückgekehrt war und jetzt zum zweiten Male dem Achill in die Hände fiel. Wie dieser ihn mit wankenden Knien kraftlos aus dem Strome hervortauchen sah, sprach er staunend zu sich selber: ›Wehe mir, welch Wunder muß ich erblicken! Gewiß werden jetzt auch die andern Trojaner, die ich erschlagen habe, aufs neue aus der Nacht hervorkriechen, da dieser wiederkommt, den ich vor langer Zeit nach Lemnos verkauft habe. Nun, wohlan, mag er die Spitze unserer Lanzen kosten und es dann versuchen, ob er auch aus dem Boden zurückkehren kann!‹ Doch ehe Achill recht mit dem Speere zielen konnte, hatte sich Lykaon heraufgeschwungen, umschlang ihm mit der einen Hand die Knie und faßte mit der andern seine Lanze. »Erbarme dich meiner, Achill«, rief er, »war ich doch einst deinem Schutze anvertraut! Damals trug ich dir hundert Stiere ein, jetzt will ich mich dreimal so hoch lösen! Erst seit zwölf Tagen bin ich in der Heimat, nach langer Qual der Gefangenschaft, aber Zeus muß mich wohl hassen, daß er mich von neuem in deine Hand gegeben. Doch töte mich nicht; ich bin ein Kind Laothoes und kein leiblicher Bruder des Hektor, der dir deinen Freund gemordet hat.« Aber Achill faltete die Stirn, und mit unbarmherziger Stimme sprach er: »Schwatze mir nicht von Lösung, du Tor; ehe Patroklos starb, war mein Herz zu schonen willig, jetzt aber entflieht keiner dem Tode. So stirb denn auch du, mein 201
    Gustav Schwab – Sagen des klassischen Altertums
    Guter; sieh mich nicht so kläglich an! Ist doch auch Patroklos gestorben, der viel herrlicher war als du. Und betrachte mich selbst, wie schön und groß ich von Gestalt bin; dennoch, ich weiß es gewiß, wird auch mich das Verhängnis von Feindeshand ereilen, sei's am Morgen, am Mittag oder am Abend!« Lykaon ließ zitternd den Speer fahren, als er ihn so reden hörte, saß mit ausgebreiteten Händen und empfing den Stoß des Schwertes in den Hals. Achill faßte den Gemordeten am Fuße, schleuderte ihn in den Strudel des Flusses und rief ihm höhnend nach: »Laß sehen, ob der Strom dich rette, dem ihr vergebens so viele Sühnopfer gebracht habt.«
    Über diese Worte ergrimmte der Stromgott Skamander, der ohnedem auf Seite der Trojaner war, und erwog bei sich im Geiste, wie er den gräßlichen Helden in seiner Arbeit hemmen und die Plage von seinen Schützlingen abwenden könnte. Achill sprang indessen mit seiner Lanze auf Asteropaios den Päonier, den Sohn des Pelegon, ein, der, zwei Speere in den Händen, eben aus dem Strome stieg. Diesem hauchte der Flußgott Mut in die Seele, daß er mit Ingrimm das erbarmungslose Gemetzel des Peliden überblickte und kühn auf den Mordenden zueilte. »Wer bist du, der es wagt, mir entgegenzugehen?« rief Achill ihm zu, »nur die Kinder unglückseliger Eltern begegnen meiner Kraft.« Ihm antwortete Asteropaios: »Was fragst du nach meinem Geschlechte? Der Enkel des Stromgottes Axios bin ich, Pelegon hat mich gezeugt; vor elf Tagen bin ich mit meinen Päonen als Bundesgenosse Trojas erschienen. Jetzt aber kämpfe mit mir, hoher Achill!« Da erhub der Pelide seine Lanze; der Päonier aber warf zwei Speere zugleich, einen mit jeder Hand, denn er konnte die linke wie die rechte brauchen: der eine brach das Schildgewölbe des Peliden, ohne den Schild selbst zu brechen, der andere streifte ihm den rechten Arm am Ellenbogen, daß das Blut hervorrieselte. Jetzt erst schwang Achill seine Lanze, aber sie verfehlte den Gegner und fuhr bis zur Hälfte ins Ufer. Dreimal zog Asteropaios mit seiner nervigen Hand an ihr, ohne sie aus

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