Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sagen des klassischen Altertums

Sagen des klassischen Altertums

Titel: Sagen des klassischen Altertums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustav Schwab
Vom Netzwerk:
Schicksal uns diesen Mann erhalten hat, so wird 347
    Gustav Schwab – Sagen des klassischen Altertums
    euch der Dienst, den ihr uns erweiset, niemals gereuen. Darum gestattet uns, die lekken Schiffe ans Land zu ziehen, in euren Wäldern Schiffsbalken zu zimmern und Ruder zu verfertigen. Finden wir unsern König und unsere Freunde wieder, dann dürfte uns wohl die Fahrt nach dem verheißenen Italien glücken. Hat aber ihn die libysche Flut verschlungen und ist unsere Hoffnung dahin, nun dann gib uns wenigstens sicheres Geleite, mächtige Königin, daß wir zu unserem Gastfreunde am sizilischen Strande, von dem wir herkommen, wieder zurückkehren können.«
    Die Königin senkte vor den Männern den Blick auf die Erde und antwortete kurz: »Verbannet die Angst aus euren Herzen, Trojaner! Mein Schicksal ist so hart, mein Reich ist so jung, daß ich genötigt bin, die Grenzen des Landes ringsumher durch strenge Wachen sicherzustellen. Trojas Stadt aber und ihr unglückliches Volk, ihre Helden, ihren Waffenruhm, ihre fürchterliche Zerstörung kennen wir gar wohl.
    Unsere Stadt ist nicht so abgelegen, daß sie nichts von ihrem Schicksale wüßte; unsere Herzen sind nicht so unempfindlich, daß es uns nicht rührte. Möget ihr euch denn Hesperien zum Wohnsitz erwählen oder Siziliens Insel: in beiden Fällen getröstet euch meiner Hilfe, ich will euch mit allem Nötigen versehen und in Frieden ziehen lassen; es wäre denn, daß ihr euch lieber hier im Lande ansiedeln wolltet! Wollet ihr das, so steht euch frei, eine Stadt zu gründen, und meine Gesetze sollen euch denselben Schutz verleihen wie meinen eigenen Untertanen. Was euren König betrifft, so sende ich auf der Stelle sichere Männer an meine Ufer und im Lande umher, um ihn auszuspähen, ob er nicht irgendwo gestrandet in Wäldern oder in Städten umherirrt.«
    Die beiden Helden in der Wolke brannten vor Begierde, den Nebel zu durchbrechen, als sie solches vernahmen. »Hörst du es, Sohn der Göttin«, flüsterte zuerst Achates seinem erhabenen Freunde zu, »die Schiffe, die Freunde alle sind gerettet; nur einer fehlt, den wir selbst ins Meer sinken sahen; sonst entspricht alles den Verheißungen deiner Mutter.« Kaum war dieses gesprochen, als die Nebelwolke sich von selbst teilte und in den offenen Äther verschwand. Da stand nun Äneas im heiteren Lichte, wie ein Gott an Schultern und Haupte glänzend: seine Mutter hatte ihm schönes wollendes Lockenhaar aufs Haupt, das Purpurlicht der Jugend auf die Wangen und in das heitere Auge den Strahl der Huld gezaubert. Wie ein Wunder stand er vor allen da, wandte sich zur Königin und sprach: »Da bin ich, nach dem ihr verlanget, aus den Wellen Libyens gerettet, ich, ich der Trojaner Äneas! Edle, großmütige Königin, die du die Trümmer eines unglücklichen Volkes erbarmungsvoll in deine Stadt aufgenommen hast, keiner von allen Trojanern, die über die ganze Erde zerstreut sind, kann dir würdigen Dank bezahlen; mögen dir die Himmlischen vergelten! Selig sind die Eltern, die dich gezeugt haben! Solange die Erde stehet, wird dein Name bei uns von Ruhme strahlen, welches Land uns auch rufen mag!« So sprach Äneas und eilte auf seine Freunde zu, die Rechte, die Linke ihnen um die Wette darreichend. Als sich Dido vom ersten Erstaunen erholt hatte, sprach sie: »Sohn der Göttin, welches Schicksal verfolgt dich durch solche Gefahren? Du bist also jener Äneas, welchen einst Anchises, dem Trojaner, die erhabene Göttin Venus an den Wellen des Simois geboren hat! Wohl hab ich vieles von den Schicksalen deines Geschlechts und deines Volkes von meinem Vater Belus vernommen. Als dieser in Zypern kriegte, kam der Argiver Teucer, Telamons Sohn, zu ihm, der dort nach dem Trojanischen Krieg eine Niederlassung gegründet hatte; dieser erzählte viel von euren Heldentaten. Er war zwar euer Feind im Kriege, aber zugleich euer Blutsverwandter, denn auch er rühmte sich, vom alten Geschlechte der Teukrer abzustammen; seine Mutter Hesione, welche Telamon als eine Kriegsgefangene von seinem Freunde Herkules zum Geschenk erhalten hatte, war eine Tochter des trojanischen Königs Laomedon. Nun aber, ihr Männer, tretet getrost in unsere Häuser ein; auch ich bin eine Verbannte, auch ich fand nach langen Mühsalen erst in diesem Lande Ruhe. Ich bin wohlvertraut mit dem Jammer und verstehe mich auf den Beistand Unglücklicher.«
    So sprach Dido und führte den Helden unverzüglich in ihren Palast, auch ordnete sie in allen Tempeln ein

Weitere Kostenlose Bücher