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Sagen des klassischen Altertums

Sagen des klassischen Altertums

Titel: Sagen des klassischen Altertums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustav Schwab
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redlicher Greis und du, des Redlichen würdige Gattin, was wünschet ihr euch?« Nur wenige Worte wechselte Philemon mit seinem Weibe, dann sprach er: »Eure Priester möchten wir sein! Vergönnet uns, jenes Tempels zu pflegen. Und weil wir so lange in Eintracht miteinander gelebt haben, o so lasset uns beide in einer Stunde dahinsterben; dann schau ich niemals das Grab des lieben Weibes, noch muß mich jene bestatten.« Ihr Wunsch ward erfüllt. Sie hüteten beide des Tempels, solange ihnen das Leben gegönnt ward. Und als sie einst, von Alter und Jahren aufgelöst, zusammen vor den heiligen Stufen standen, des wundervollen Geschickes gedenkend, da sah Baucis ihren Philemon und Philemon seine Baucis in grünem Laube verschwinden; schon wuchsen um beider Antlitz schattige Wipfel in die Höhe. »Leb wohl, du Trauter!« »Leb wohl, du Liebe!« so sprachen sie beide wechselnd, solang sie noch zu reden vermochten. So endigte das ehrwürdige Paar; er ward zur Eiche, sie zur Linde, und noch im Tode stehen sie traulich zusammen, wie sie im Leben unzertrennlich waren. Fromme sind den Göttern wert; Ehre wird denen zuteil, die Ehre erweisen.
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    Gustav Schwab – Sagen des klassischen Altertums
    ARACHNE
    In Hypäpa, einer kleinen Stadt Lydiens, wohnte eine Jungfrau von niederer Herkunft, Arachne geheißen.
    Ihr Vater Idmon war Purpurfärber zu Kolophon, auch ihre Mutter, die der Tod frühe hingerafft hatte, war von armen Eltern entsprossen. Dennoch pries man den Namen Arachnes in den lydischen Städten, da sie als Weberin durch Kunst und Fleiß alle sterblichen Weiber übertraf; selbst die Nymphen des rebenbewachsenen Tmolosgebirges und des Flusses Paktolos kamen in die ärmliche Hütte der Jungfrau, um ihrer Arbeit staunend zuzuschauen. Niemals war so die Kunst mit der Anmut gepaart; ob sie die grobe Wolle zuerst aufwickelte, ob sie die Fäden feiner und feiner zog, ob sie mit dem flinken Daumen die Spindel umschwang oder mit der Nadel stickte: es schien stets, als ob Pallas Athene selbst sie unterwiesen hätte.
    Davon aber wollte Arachne nichts wissen, sondern sie rief oft beleidigt: »Nicht von der Göttin lernte ich die Kunst! Sie komme und messe sich mit mir. Besiegt sie mich, so will ich jede Strafe erdulden!« Athene hörte ihr Prahlen mit Unwillen, nahm die Gestalt eines alten Mütterchens an, umgab sich die Stirn mit grauem Haar und nahm einen stützenden Stab in die welken Hände. So verwandelt, trat sie in die Hütte Arachnes und begann: »Nicht nur Widriges hat das Greisenalter; mit den Jahren reift die Erfahrung. Darum verachte nicht meinen Rat! Suche du dir den Ruhm, daß du künstlicher als alle Sterblichen die Wolle zu weben verstehst; aber der Göttin weiche in Demut. Flehe sie um Verzeihung für dein überkühnes Wort; dann wird sie gern der Bittenden vergeben.« Finsteren Blickes ließ Arachne den Faden fahren und sprach, vor Zorn bebend: »Töricht bist du, Alte; die Last der Jahre hat dir den Sinn geschwächt. Zu lange leben ist nicht gut!
    Solches Geschwätz predige deiner Tochter vor, ich bedarf deines Rates nicht und verschmähe deine Ermahnung. Warum kommt Pallas nicht selbst? Warum vermeidet sie den Wettstreit mit mir?« Jetzt war die Langmut der Göttin zu Ende. »Sie ist schon da!« rief sie und stand plötzlich in ihrer wahren himmlischen Gestalt da. Die Nymphen und die lydischen Frauen, die zugegen waren, fielen der Göttin huldigend zu Füßen; nur Arachne bebte nicht, ein flüchtiges Erröten überzog ihr trotziges Antlitz, und verwegen beharrte sie bei ihrem Entschluß; von törichter Ruhmbegierde getrieben, rannte sie selbst in ihr drohendes Geschick.
    Und die Zeustochter warnte nicht mehr, sondern nahm den Kampf an.
    Alsbald stellten beide an gesonderten Orten den Webstuhl auf und begannen mit Lust die kundigen Hände zu regen. Purpur und tausend andre Farben, die das ungewohnte Auge verwirren, webten sie kunstvoll durcheinander; auch goldene Fäden liefen hindurch; und so erhoben sich bald wundersame Gebilde vor den staunenden Blicken der Schauenden. Athene bildete den Felsen der athenischen Burg und ihren vielbesungenen Streit mit dem Meeresgott um des Landes Besitz. Zwölf Götter, Zeus mitten unter ihnen, saßen dabei, ehrwürdigen und heiligen Ernstes. Hier stand Poseidon, wie er den riesigen Dreizack in den Felsen stößt, daß die salzige Meeresflut herausspringt. Dort aber erschien sie selbst, die göttliche Künstlerin, mit Schild und Lanze gewappnet, den Helm auf dem Haupte, auf

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