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 Sagen des klassischen Altertums

Sagen des klassischen Altertums

Titel: Sagen des klassischen Altertums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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noch grob, er war eher unterwürfig. Athene verspottete ihn, wie die anderen Götter es auch taten. Nur in einem Punkt war sie mit ihm einer Meinung. Beide konnten sie den dummen Haudegen Ares nicht leiden.
    Athene verkörpert das Gegenteil des Hephaistos, sie ist die Inspirierte. Sie ist der Geist, während Hephaistos das erdgebundene Handwerk darstellt. Hephaistos kann mit Hilfe des Feuers die wunderbarsten Dinge hervorbringen, während ihm aber letztendlich die Inspiration, die Sonne fehlt. Das Feuer, so erzählt die Sage, war immer nur die Nachahmung der Sonne. Die Tat ist immer nur der Nachvollzug des Gedankens. Athene verkörpert wie keine andere Gottheit den Geist.
    Athene war zur Jungfrau bestimmt. Ihr Körper sollte keinen Samen aufnehmen. Nie schlief sie mit einem Mann. Eines Tages kam sie zu Hephaistos in die Götterschmiede, weil sie sich bei ihm eine neue Rüstung bestellen wollte. Natürlich hätte er ihr die schönste Rüstung gemacht, weil er sie ja innig liebte. Sie beugte sich so schön über den Schmiedetisch, als er ihr die Maße abnahm, daß er sich nicht mehr beherrschen konnte und über sie herfallen wollte. Die Leidenschaft ging mit ihm durch. Er wollte sie vergewaltigen. Hephaistos war stark, hatte wuchtige Muskeln an seinen Armen. Allein, Athene war er nicht gewachsen. In letzter Sekunde stieß sie den Hephaistos von sich. Aber Hephaistos war schon soweit, sein Samen spritzte auf ihren Schenkel. Das löste in ihr einen Ekel aus, schnell wischte sie diesen Samen weg. Der Samen flog vom Olymp herunter auf die Erde. Aus diesem Samen, der von den spitzen Fingern der Athene berührt worden war, erwuchs ein merkwürdiges Zwitterwesen, nämlich der Erichthonios. Das war ein Wesen, halb Mensch, halb Schlange. Der Unterleib war von einer Schlange. Er war der Sohn des Hephaistos, nur des Hephaistos, darauf legte Athene wert. Aber sie war doch irgendwie gerührt von dieser großen Leidenschaft des Hephaistos, und sie nahm Erichthonios zu sich. Von nun an trug sie dieses Wesen an ihrer Brust und hegte und pflegte es. Dieser Erichthonios wurde später auch ein großer Erfinder, er hat das Rad erfunden. Er konnte sich ja nicht recht fortbewegen, weil er einen Schlangenunterleib hatte.
    So zeigt sich doch, daß eine zwar untergründige, aber doch enge Beziehung zwischen Athene und Hephaistos bestand.
    Athene liebte die Helden. Sie liebte Herakles, Perseus, Diomedes. Vor allem aber liebte sie den Odysseus. Intelligenz und Mut zogen sie an. Tollkühnheit dagegen stieß sie ab.
    Sie war die Schutzgöttin der Stadt Athen. Sie hatte sich diese Funktion durch Abstimmung der Bürger zusichern lassen. Denn auch Poseidon, der Gott des Meeres, wollte Athen als seine Stadt haben. Athene schlug vor, daß die Bürger selber wählen sollten: »Jeder von uns beiden«, sagte sie zu Poseidon, »soll den Bürgern ein Geschenk geben, und sie sollen dann zwischen uns wählen.«
    Der plumpe Poseidon sagte: »Jawohl. Die wollen eine Quelle haben, das ist doch ganz klar.«
    Er ließ einen Bach durch Athen fließen und dachte, jetzt werden sie sich für mich entscheiden, denn Wasser braucht der Mensch. Er hatte aber nicht richtig nachgedacht und der Stadt das falsche Wasser gegeben, nämlich Meerwasser. Damit kann kein Mensch etwas anfangen, wenn ein Bach mit Meerwasser durch seinen Ort fließt.
    Athene hingegen ließ ein schlichtes Bäumchen sprießen – einen Ölbaum. Was für ein Reichtum! Der Ölbaum, das wissen wir, ist beinahe so etwas wie das Symbol ganz Griechenlands, der Reichtum des Landes. Natürlich entschieden sich die Athener für Pallas Athene.
    Noch eine kleine Bemerkung: Wenn der Besucher in Wien vor dem Parlamentsgebäude steht, wird er eine große Statue vor sich sehen, eine weibliche Figur mit einem prächtigen goldenen Helm auf dem Kopf. Das ist Pallas Athene. Denn sie ist ja auch die Göttin der Weisheit, und die Parlamentarier werden sich etwas dabei gedacht haben, ausgerechnet diese Gottheit vor ihrem Haus aufzustellen.
    Es ist nicht schwierig, Sympathie für diese kluge Göttin zu empfinden. Und daß sie eitel war, das verzeiht man ihr gern. Obwohl sie von keinem Mann besessen werden wollte, wollte sie dennoch von allen bewundert werden. Daß Paris, der Sohn des trojanischen Königs Priamos, die Aphrodite ihr vorgezogen hatte, war ihr Grund genug, den entsetzlichsten Krieg der griechischen Sagenwelt zu entfesseln. Die Geschichte sei hier nur skizziert:
    Paris sollte der schönsten Göttin einen goldenen

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