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 Sagen des klassischen Altertums

Sagen des klassischen Altertums

Titel: Sagen des klassischen Altertums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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Hermes.
    »Ach, ich glaube dir nicht«, sagte Apoll.
    Er hob das Baby aus der Wiege, trug es vor den Göttervater Zeus und klagte es an.
    Er sagte: »Der da, dieser Hermes, dein Sohn, hat mir die Herde gestohlen.«
    Während der Verhandlung wurde Hermes noch frecher. Er entwendete seinem Ankläger Apoll hinterrücks die Pfeile und den Bogen, die Waffen, auf die Apoll so stolz war.
    Zeus hatte es bemerkt, aber er hatte Gefallen an seinem Sohn Hermes, und seit eh und je hatte ihm Apoll nicht gepaßt. Er sagte: »Hermes, gib zu, daß du die Kühe gestohlen hast. Es sind ja nur Kühe, es wäre doch viel schlimmer, wenn du ihm seine Waffen weggenommen hättest.«
    Hermes gab schließlich alles zu, auch den Waffendiebstahl, und es gelang ihm sogar, den Zorn des Apoll zu besänftigen. Er sagte: »Ich zeige dir etwas. Bevor du zornig wirst, laß dir etwas zeigen.«
    Er holte die Lyra hervor und spielte. Der Musengott Apoll war voll der Bewunderung, voll des Entzückens über die nie gehörten Klänge, die Hermes dem Panzer der Schildkröte entlockte.
    Hermes sagte: »Du, ich schenke dir das. Das ist mein Geschenk an dich.«
    Und von diesem Tag an waren Apoll und Hermes gute Freunde.
    Hermes fürchtete sich vor der Göttermutter Hera. Sie sah in ihm eine Frucht des Betrugs. Hermes erschlich sich mit einer List ihre Gunst. Er verkauerte sich ganz eng in seine Windeln und lispelte: »Ich bin Ares, dein Sohn.«
    Sie nahm ihn auf den Schoß und säugte ihn an ihrer Brust. Erst später, als sie sich an dieses warme, kleine Paket gewöhnt hatte, gab er zu, daß er Hermes sei. Aber da war sie ihm schon nicht mehr böse.
    Listenreich war Hermes und liebenswürdig. Er war es auch, der die Seelen der Toten in den Hades führte. Er tat dies auf sehr sanfte, sehr liebevolle Art. Psychopompos wurde er dann genannt, der Seelenführer.
    Eines Tages war auch Zeus auf die Hilfe des Hermes angewiesen, und bei dieser Gelegenheit hätte Hermes die Macht im Olymp an sich reißen können. Aber er tat es nicht. Zeus war nämlich durch verwickelte Umstände der Gefangene des Typhon geworden. Typhon ist ein Monster mit hundert Schlangenköpfen, die in allen Sprachen sprechen konnten, in der Sprache der Götter, der Tiere, der Menschen. Und dieses Monster überwältigte den obersten Gott Zeus und schnitt ihm sämtliche Sehnen aus seinem Körper. Es gab die Sehnen einem Drachen zur Aufbewahrung. Zeus lag hilflos da, konnte sich nicht bewegen, und Hermes kam und schleppte den Göttervater in Sicherheit. Er raubte dem Drachen die Sehnen, setzte sie seinem Vater wieder ein und gab ihm damit die Macht zurück. Er nutzte die Schwäche des Zeus nicht aus.
    Aber Zeus rächte sich um so fürchterlicher an dem Monster Typhon. Er hob die Insel Sizilien hoch und warf sie dem Unhold nach. Er begrub den Typhon unter der Insel. Manchmal holt das Monster kräftig feurigen Atem und stößt ihn aus, und das ist dann, wenn der Ätna auf Sizilien spuckt.
     
    Hermes gehört zu meinen Lieblingsgöttern. Aber ich will noch von einem anderen Gott erzählen. Absichtlich wähle ich einen unbekannten aus, dessen Dasein aber für uns Menschen existenzbedingend ist. Denn aus seiner Geschichte erklärt sich unsere Entstehung. Es ist die Geschichte von Zagreus.
    Zeus schlief mit seiner Schwester Demeter, und sie gebar die wunderschöne Kore. Später, als Göttin der Unterwelt, wird sie Persephone heißen. Zwei Sätze möchte ich zu ihr sagen. Für mich ist Persephone die Verkörperung des Manisch-Depressiven. Die eine Hälfte des Jahres lebt sie als Königin der Unterwelt unter den grauen Schatten der Toten, die zweite Hälfte darf sie bei den Göttern im Olymp verbringen. Von der Finsternis zum Licht, von zu Tode betrübt zu himmelhoch jauchzend.
    Kore, Persephone, muß sehr, sehr schön und sehr reizvoll gewesen sein, melancholisch, in sich zurückgezogen, rätselhaft. Zeus, wie kann es anders sein, verliebte sich in diese Tochter, und weil er ihre schlafwandlerische Ruhe, die ihren Reiz ja erst ausmachte, nicht stören wollte, verwandelte er sich in eine Schlange, und als Persephone eines Tages im Wald saß und traurig vor sich hin blickte, kam er angekrochen und kroch durch ihre Vulva in ihren Körper. Persephone wurde schwanger.
    Persephone wurde schwanger mit Zagreus, des obersten Gottes eingeborenem Sohn. Weil Zeus sie besonders liebte, dreifach liebte, liebte er auch ihren Sohn Zagreus und zog ihn allen seinen Kindern vor. Diesen Sohn setzte er als seinen Erben ein.
    Er

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