Sagen des klassischen Altertums
Spiegeln; von drei
stinkenden Frauen – Von Medusa und ihrem Haupt –
Von Pegasos – Von Atlas – Von Andromeda – Von einer
erfüllten Weissagung und einem glücklichen Ende
Welchem Helden soll der Vorzug gegeben werden? Da ist vor allem Herakles, der bedeutendste Heros der griechischen Antike. Die Römer übernahmen ihn und nannten ihn Herkules. Er ist der klassische Held. Berühmt sind seine zwölf Arbeiten, das waren zwölf Prüfungen, die er zu bestehen hatte. Eine dieser Arbeiten machte mir als Kind am meisten Spaß, weil es mir immer so schwerfiel mein Zimmer aufzuräumen: Er sollte den Augiasstall säubern. Herakles war klug und leitete einen Fluß durch den Stall, hinterher war er so sauber, sagte mein Vater, »wie eine Metzgerei in der Schweiz«.
All diesen Helden ist eigen, daß sie eine große Lebensaufgabe vor sich haben. Wir, während wir ihre Geschichten hören, fragen uns: »Schafft er es, oder schafft er es nicht?« Ich hege die Vermutung, daß das Hollywood-Kino immer noch von dieser dramaturgischen Grundfrage zehrt. Bei den meisten Filmen rührt die Spannung ja daher, daß wir uns fragen: »Schafft es unser Held, oder schafft er es nicht?«
Ich möchte an dieser Stelle weder von Herakles, dem Arbeiter, noch von Iason, dem Argonauten, weder von Athens König Theseus noch von Bellerophon, dem Pegasos-Bezwinger, erzählen, sondern von Perseus. Seine Geschichte beginnt wie ein Märchen – mit: Es war einmal.
Es war einmal ein König, der hieß Akrisios. Dieser König hatte eine Tochter, sie hieß Danaë. Dem König wurde geweissagt, daß er von seinem Enkel ermordet werden würde, ein Sohn seiner geliebten Tochter Danaë würde ihn töten.
Weil die Eigenliebe vor der Tochterliebe rangiert, beschloß König Akrisios, diese Gefahr ein für allemal auszuschalten. Er ließ einen bronzenen Turm bauen, und in diesen Turm sperrte er Danaë, als sie im heiratsfähigen Alter war. Der Turm war nur von oben zugänglich, vom Himmel aus, das Essen wurde dem Mädchen über die Zinnen geworfen. So, meinte Akrisios, könne er seine Tochter vor Freiern abschirmen.
Wir, die wir nun schon einiges über die griechische Mythologie erfahren haben, können nur den Kopf schütteln; denn Akrisios hat nicht mit dem leidenschaftlichsten aller Liebhaber gerechnet, nämlich mit Zeus. Zeus blickte vom Himmel herab, blickte hinein in diesen bronzenen Turm und sah die hübsche und heiratsfähige Danaë. In der Nacht, wenn das Erdenrund dunkel war, glitzerten ihre tränenerfüllten Augen durch den bronzenen Turm herauf zu ihm. Denn Danaë sehnte sich nach einem männlichen Widerpart.
Da verwandelte sich Zeus in einen Goldregen. Dieser Goldregen fiel über Nacht auf die schlafende Danaë und befruchtete sie, und Perseus war gezeugt.
Als Danaë diesen Götterknaben geboren hatte, wußte ihr Vater erst nicht, was er tun sollte, denn er hatte seine Tochter recht lieb und hätte gern so einen hübschen Knaben als Enkel gehabt, aber der Orakelspruch saß ihm in den Knochen. Deshalb packte er seine Tochter, drückte ihr den Knaben in den Arm, verschloß die beiden in einen Korb und ließ den Korb auf dem Meer aussetzen. Er war sicher, eine solche Reise würden sie nicht überleben.
Aber Zeus war schließlich der Vater des Perseus, und er leitet die Geschicke, und er leitete auch den Korb. Der Korb wurde über das Meer getragen und strandete an einer Insel. Ein Hirte fand die Frau und das Kind, und dieser Hirte war ein sehr gütiger und liebevoller Mann, außerdem war er der Bruder des Königs dieser Insel.
Das schien günstig zu sein.
Aber der König war weder gütig noch liebevoll, er war begehrlich. Als er eines Tages seinen Bruder, den Hirten, besuchte, sah er Danaë in einer Ecke des Zimmers sitzen, die Haare waren ihr über das Gesicht gefallen, und er sagte: »Darf ich dein Gesicht sehen?«
Er hob die Haare mit seinem Stab beiseite und sah, daß es ein wunderschönes Mädchen war. Er verliebte sich in sie und stellte ihr von diesem Tag an nach.
Aber sein Bruder, der Hirte, beschützte Danaë, und bald war ja auch Perseus herangewachsen, und es gelang ihm durchaus, seine Mutter zu verteidigen.
Perseus, das muß erzählt werden, war ein hübscher, vielleicht auch etwas weich anzusehender junger Mann. Er war naiv, er war sogar sehr naiv, aber er war intelligent, das schließt sich ja gegenseitig nicht aus. Aber man konnte ihn durchaus in die Irre führen, Ironie oder gar bösen Witz vermochte er nicht zu
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