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 Sagen des klassischen Altertums

Sagen des klassischen Altertums

Titel: Sagen des klassischen Altertums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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durchschauen. Ja nahm er für Ja, und Nein nahm er für Nein.
    Der begehrliche König dachte sich aus, wie er diesen Perseus aus dem Weg schaffen könnte. Umbringen wollte er ihn nicht, nur von seiner Mutter sollte er weg. Er erfand die Steuer. Alle heutigen Steuern verdanken wir diesem begehrlichen König.
    Er verkündete: »Jeder Inselbewohner muß mir soundso viele Pferde abgeben!«
    Perseus aber und seine Mutter besaßen keine Pferde.
    Perseus schlug ihm vor: »Ich sehe ein, daß du Steuern einhebst. Aber ich habe keine Pferde. Ich werde dir etwas anderes dafür geben. Sag mir, was du möchtest.« – Das war die Naivität des Perseus.
    Der begehrliche König sagte: »Ja, ich kann dir schon sagen, was ich möchte: Bring mir das Haupt der Gorgone Medusa!«
    »Ja«, sagte Perseus, »wenn du das unbedingt möchtest, dann hole ich es dir.«
    Dieses Gespräch war unter vier Augen geführt worden, darauf hatte der begehrliche König bestanden. Denn er wußte, jeder andere würde den Perseus warnen, würde sagen: »Es ist sinnlos, laß es, bleib zu Hause, niemals kannst du das Haupt der Medusa holen, denn die Medusa wird dich vernichten.«
    Perseus sagte: »Ich werde die Steuer für mich und meine Mutter entrichten, ich werde dir das Haupt der Medusa bringen.«
    Wer war diese Medusa? Perseus wußte es nicht. Darum wollen auch wir erst näher auf sie eingehen, wenn Perseus sie gefunden hat.
    Perseus machte sich auf den Weg, er ging einfach drauflos, er war sehr zuversichtlich. Er dachte: »Ein guter Geist wird mich führen.«
    Es gab auch einen guten Geist, der ihn führte, oder sagen wir besser eine Göttin, die ihn mit ihrer Sympathie begleitete. Es war Pallas Athene.
    Pallas Athene, wir sagten es bereits, hat immer eine Vorliebe für die intelligenten Helden gehabt, auch für die naiven, wenn sie nur gleichzeitig auch intelligent waren.
    Sie kam herunter vom Himmel. – Übrigens, das muß erwähnt werden, Athene erschien fast nie als sie selbst, sie schlüpfte immer in den Körper irgendeines Menschen. Was die solcherart Okkupierten davon hielten, das wird uns nicht berichtet. In was für eine Rolle sie schlüpfte, als sie Perseus traf, das weiß ich ebenfalls nicht.
    Sie sagte: »Ich werde dir behilflich sein. Erstens bekommst du von mir einen Schild.« – Sie gab ihm einen Bronzeschild. Dieser Schild war auf Hochglanz poliert, er glänzte und spiegelte und funkelte. Perseus hatte noch nie einen solchen Schild gesehen.
    Er sagte: »Der gefällt mir. Was soll ich mit diesem Schild?«
    Sie sagte: »Schau hinein, was siehst du?«
    Perseus staunte, denn er hatte noch nie sein Spiegelbild gesehen. Er sagte: »Ich sehe darin einen jungen Mann.«
    Athene sagte: »Das bist du!«
    Perseus sagte: »Das kann nicht ich sein, ich stehe ja hier draußen, und der da ist drinnen.«
    Sie sagte: »Du siehst dein Spiegelbild.«
    Perseus griff danach, aber er ertastete nur den Schild. Er fragte: »Wo ist mein Spiegelbild?«
    Da sagte Athene zu ihm: »Es sieht genauso aus wie du. Aber in Wirklichkeit existiert es nicht.«
    Er verstand das nicht, und sie sagte zu ihm: »Laß das nur so sein, wie ich es gesagt habe, aber merk dir eines: Einer großen Gefahr schaut man nie direkt ins Auge.«
    Das merkte sich Perseus.
    Dann sagte Athene noch: »Du mußt die Graien aufsuchen.«
    Die Graien, das heißt: die Grauen, das sind alte, stinkende Frauen. »Die mußt du aufsuchen, es sind die Schwestern der Gorgonen. Die mußt du mit List und Tücke dazu bringen, dir zu sagen, wo die Gorgonen hausen.«
    Athene wies ihm noch den Weg zu den Graien, dann verschwand sie.
    Perseus marschierte weiter drauflos und nahm den Weg zu den Graien. Die leben irgendwo in Afrika neben einem See, und schon von weitem kann man sie riechen, ihr Gestank muß ungeheuer gewesen sein. Aber Perseus hielt sich die Nase zu, ließ nur wenig Geruch hinein, und dem folgte er, und so traf er auf diese drei alten Frauen.
    Es ist bemerkenswert, wie sie aussahen. Ich will versuchen, es zu beschreiben. Also, diese drei Frauen saßen an einem See, und sie hatten zusammen nur einen Zahn, und sie hatten zusammen nur ein Auge. Aber dieser Zahn ließ sich ausborgen, ebenso das Auge. So borgten sie untereinander: Immer wenn eine etwas beißen wollte, bekam sie den Zahn, und wenn eine etwas anschauen wollte, bekam sie das Auge.
    Und die eine, die gerade das Auge bei sich hatte, sah Perseus zu dem See kommen. Sie kicherte und rief: »Da kommt ein schöner Jüngling, den wollen wir uns doch

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