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 Sagen des klassischen Altertums

Sagen des klassischen Altertums

Titel: Sagen des klassischen Altertums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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auch eine Frau gewesen war. Das war Teiresias.
    Also man stieg herab vom Olymp und holte Teiresias herbei, und mit abgekehrtem Gesicht, denn es ist nicht möglich, daß ein Mensch einem Gott ins Gesicht schaut, wurde Teiresias befragt:
    »Wer hat größere Lust beim Beischlaf, Mann oder Frau? Du mußt es wissen.«
    Die Antwort fiel sehr eindeutig aus, und Teiresias zögerte auch nicht eine Sekunde. Er sagte: »Wenn die ganze Lust zehn ist, so ist die Lust der Frau beim Beischlaf neun, und die Lust des Mannes ist eins.«
    Diese Wette hatte Zeus gewonnen.
    Hera war darüber so zornig, daß sie den Teiresias blendete, ihm sein Augenlicht nahm. Dies wollte nun Zeus nicht rückgängig machen, er wollte keinen neuen Streit entfachen. Er gab dafür dem Teiresias, wie es der Göttervater selber nannte, ein inneres Sehen. Er machte, daß er in die Zukunft schauen konnte.

Die Entstehung der Welt
    Von Gaia und Uranos – Von Kronos und Rhea – Von Zeus und seinen Geschwistern –
Von Titanen und Giganten
     
     
    Am Anfang, so erzählt uns die griechische Mythologie, am Anfang war Chaos. Was in diesem Chaos war, das weiß niemand. Man schreckt auch davor zurück, dieses Chaos als eine Gottheit zu begreifen. Warum aus diesem Chaos irgendwann plötzlich Gaia entstand, nämlich die Erde, das weiß auch niemand. Aber sie war auf einmal da.
    Hesiod, der alte Erzähler, der ungefähr ein Zeitgenosse von Homer war, erzählt uns, wie die griechischen Götter geworden sind. – Aus Gaia erhob sich der Himmel, nämlich Uranos, der Himmel war der Sohn der Erde. Er war ihr Sohn und auch ihr Geliebter. An nebeligen Tagen, wenn wir uns ins Freie begeben, können wir den Himmel nicht von der Erde unterscheiden. Das heißt, Himmel und Erde liegen noch eng, so eng in Liebesumarmung aufeinander, daß wir nicht wissen, wo Gaia, die Erde, anfängt und wo Uranos, der Himmel, aufhört.
    Gaia ist die Fruchtbringende, die das Grüne auf sich trägt, und sie wurde benetzt von den Nebeln und vom Regen des Himmels. Gleichzeitig mit Gaia entstand Eros, der Geist der zeugenden Liebe. Ihn darf man sich nicht als ein Wesen vorstellen, eher als die Angabe einer Richtung, in die sich Gaia von Anfang an neigte. Eros hielt die beiden aufeinander, den Himmel und die Erde.
    Erst aus dieser Umarmung, heute würde man sagen, aus dieser Jahrmillionen dauernden Umarmung, entstanden die ersten Wesen. Denn Gaia buckelte sich vor Lust unter ihrem Sohn Uranos, und so entstanden die weichen, warmen, zarten, grünen Hügel.
    Dann gebar sie aus diesen Hügeln heraus die Titanen. Unter diesen Titanen waren schon der stolze Kronos und die hehre Rhea.
    Kronos war der mächtigste der Söhne der Gaia und des Uranos. Über Kronos ist sehr viel nachgedacht worden, und die naheliegendste Erklärung ist, daß Kronos sich von Chronos ableitet, also von »Zeit«. Man ist aber draufgekommen, daß Kronos nichts zu tun hat mit dem Begriff der Zeit, und man weiß nun eigentlich nicht, woher dieses Wort kommt.
    Dem stolzen Titanen Kronos und der hehren Titanin Rhea, welche die ersten wirklich gelungenen Wesen waren, die ersten denkenden Wesen, folgten aus dem Schoß der Gaia Monster nach. Nämlich die hundertarmigen Riesen, die von unglaublicher Häßlichkeit gewesen sein müssen. Ihr Vater Uranos, der Himmel, haßte diese Riesen vom ersten Augenblick an, und er stieß sie mit seinem ungeheuren Phallus immer wieder in den Mutterschoß der Gaia zurück.
    Gaia buckelte sich, die Erde buckelte sich, aber diesmal nicht wie zu Beginn der Liebesumarmung aus Lust, sondern unter Schmerzen. Sie beugte sich und buckelte sich, und so entstanden auf der Erde die Gebirge, die großen, steinigen, felsigen Gebirge.
    Aber Uranos, der Himmel, ließ nicht davon ab, seine Gemahlin, die auch seine Mutter war – von Anfang an ist der Inzest bestimmend in der griechischen Götterwelt –, er ließ nicht ab, Gaia mit seinem gigantischen Phallus zu quälen, und immer wieder stieß er die hundertarmigen Riesen, die aus der Erde drängten, in ihren Schoß zurück.
    In ihrer Verzweiflung und ihrem Schmerz wandte sich Gaia an ihren Sohn Kronos, und sie nahm ihn in ihr Einverständnis und flüsterte ihm zu: »Befreie mich von deinem Vater, diesem Ungeheuer, das gleichzeitig dein Halbbruder ist.«
    »Wenn du mir dabei hilfst«, sagte Kronos, »will ich es versuchen.«
    Da ließ Gaia neben den großen, prankigen Händen des Kronos Eisen wachsen. Dieses Eisen krümmte sich unter ihrem Willen zu einer scharfen

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