Sagen des klassischen Altertums
Demeter, das ist die Göttin der fruchtbaren Erde, sie wird dargestellt mit einem Büschel Weizenähren im Arm; dann: Hera, die Beschützerin der Ehe; weiter: Hades, der später der Gott der Unterwelt wurde; Poseidon, den Gott des Meeres; und zuletzt brachte Rhea Zeus auf die Welt.
Kronos, gewarnt durch die Weissagung seiner Mutter, fraß seine Kinder eines nach dem anderen auf. Es gibt ein schauderhaftes Bild von Goya, das diesen Kronos zeigt, wie er eines seiner Kinder in den Händen hält und ihm gerade den Kopf abbeißt. Wir sehen in diesem Gesicht nicht göttlich-titanischen Machtwillen, sondern ganz menschlichen Wahnsinn.
Rhea wollte natürlich nicht, daß Kronos ihren Kindern diese Gewalt antat, und den letzten, den Jüngsten, den Liebsten, versteckte sie vor ihrem Mann. Sie gab ihm statt dessen einen Stein, den sie in Tücher gewickelt hatte, zum Fraß. Kronos in seiner Gier und in seiner Wut auf alle Nachkommenschaft schlang diesen Stein hinunter und merkte den Betrug nicht.
Rhea trug das Bündel mit dem kleinen Zeus irgendwohin in die Berge, und dort säugte sie das Kind mit der Milch einer Ziege. Dort lebten kleine Landgottheiten, von denen man gar nicht genau weiß, woher sie kommen, Kureten wurden sie genannt, das waren eher Naturgeister, vielleicht waren es die Blätter, die von den Bäumen fielen, oder das Moos, das die Stämme hinaufkletterte, zu der damaligen Zeit gab es gar nichts in der Natur, das nicht die Magie des Mehrfachseins und des Verwandelbaren in sich trug, vielleicht waren die Kureten auch die dürren Äste, die sich, sobald sie auf dem Boden knackten, in kleine Götter verwandelten. Diese Kureten versprachen Rhea, daß sie auf Zeus aufpassen würden und daß sie, wenn Kronos in die Nähe käme, heftigen Lärm machen wollten, so daß das Geschrei des Kindes übertönt würde.
Kronos wußte also nicht, daß noch ein Sohn von ihm auf der Erde war. Er meinte, er hätte alle seine Kinder verschlungen.
Zeus wuchs zu einem starken, kräftigen jungen Gott heran. Eines Tages traf er, der allein über diese Welt ging, auf eine Nymphe, nämlich auf Metis, und er verliebte sich in sie, das hieß, er beschlief sie. Und nach der Liebe erzählte ihr Zeus sein Leben, seine Sorgen, schüttete der Metis sein Herz aus, beklagte das Schicksal seiner Geschwister und so weiter. Metis war gerührt, und sie braute ihm einen Saft, ein Brechmittel. Das solle er seinem Vater unter das Essen mischen.
Zeus konnte die Nähe des Kronos nicht riskieren, er gab dieses Mittel seiner Mutter Rhea, und die mischte es unter die Speise ihres Gatten, und der erbrach sich und kotzte alle seine Kinder wieder aus. Da standen sie nun alle vor ihrem Vater: Hestia, Demeter, Hera, Hades, Poseidon.
Ich weiß nicht, wie sich die Griechen das vorgestellt haben, Zeus mußte ja zuerst zu einem jungen Mann heranwachsen, zu einem jungen Gott, ich weiß nicht, wie viele Jahre nach unserer Zeitrechnung dazu nötig waren. In all dieser Zeit befanden sich die Geschwister des Zeus im Magen des Kronos. Schon recht merkwürdig. Er hat sie also nicht verdaut, sie waren wohl keine gute Speise.
Sie alle verbündeten sich nun unter der Führung des Zeus gegen ihren Vater. Es entbrannte ein langer, ungeheuer heftiger Krieg. Zeus holte die Hundertarmigen aus dem Tartaros, die halfen ihm gern gegen seinen Vater Kronos.
Über zehn Jahre wütete dieser Krieg, heißt es, wobei immer hinzugefügt werden muß, daß Jahre zu der damaligen Zeit etwas vollkommen anderes waren als heute …
Der Krieg endete mit dem Sieg von Zeus und seinen Geschwistern. Kronos wurde der Macht enthoben. Kronos wurde gestürzt.
Die Römer übernahmen übrigens fast komplett den Götterhimmel der Griechen. Es ist ja oft so, daß die Sieger die Wertvorstellungen und die Metaphysik, ebenso die Religion, die Philosophie der Besiegten übernehmen. Warum das so ist, weiß ich nicht. Aus Zeus machten sie Jupiter, aus der Göttermutter Hera machten sie Juno, aus dem Gott des Meeres Poseidon machten sie Neptun, aus Aphrodite Venus, aus Ares Mars, aus Hermes Merkur und so weiter.
Zeus hatte seine Brüder und Schwestern in den Krieg gegen seinen Vater Kronos geführt, und sie hatten diesen Krieg unter seiner Führung nach zehn Jahren gewonnen.
Irgendwie soll es dann doch eine Aussöhnung gegeben haben zwischen Zeus und Kronos. Das hat ja auch etwas Sportives an sich, wenn man sich diesen Kampf anschaut. Denn was soll geschehen, es geht ja eigentlich nur um die Macht, die blanke
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