Sagen von der Alhambra (German Edition)
Stimme. »Du sagtest mir, der in deinem Hause verstorbene Ungläubige habe nichts als ein leeres Kistchen hinterlassen, und jetzt höre ich, deine Frau stolzire in ihren Lumpen einher, geschmückt mit Perlen und Diamanten. Elender, der du bist! Bereite dich, die Beute deines unglücklichen Opfers herauszugeben und an dem Galgen zu baumeln, der bereits müde ist, länger auf dich zu warten.«
Der erschrockene Wasserträger fiel auf seine Kniee und gab eine vollständige Erzählung von der wunderbaren Art, auf welche er zu seinem Reichthume gekommen war. Der Alcalde, der Alguacil und der neugierige Barbier lauschten mit offenen Ohren auf dieses arabische Märchen von verzauberten Schätzen. Der Alguacil wurde abgeschickt, den Mauren herzubringen, der bei der Beschwörung zugegen gewesen war. Der Moslem trat ein, halb entseelt vor Schrecken, sich in den Händen der Harpyien der Gerechtigkeit zu sehen. Als er den Wasserträger mit seinen Schafsaugen und der niedergeschlagenen Miene dastehen sah, begriff er Alles. »Elendes Geschöpf«, sagte er, als er an ihm vorüber ging, »habe ich dich nicht vor dem Plaudern deiner Frau gewarnt?«
Die Geschichte des Mauren stimmte genau zu der seines Genossen; aber der Alcalde stellte sich hartgläubig und drohte mit Gefängniß und strenger Untersuchung.
»Langsam, guter Señor Alcalde«, sagte der Muselmann, der unterdessen seine gewöhnliche Verschlagenheit und Selbstbeherrschung wieder erlangt hatte. »Laßt uns die Gaben des Glücks nicht durch Streit um sie vergeuden. Niemand weiß von dieser Sache etwas als wir, – bewahren wir das Geheimniß. Es sind Schätze genug in der Höhle, uns Alle zu bereichern. Versprecht eine gewissenhafte Theilung, und Alles soll bekannt werden, – verweigert sie, und die Höhle wird für immer geschlossen bleiben.«
Der Alcalde berieth sich heimlich mit dem Alguacil. Der Letztere war ein alter Fuchs in seinem Gewerbe. »Versprecht Alles«, sagte er, »bis Ihr im Besitz des Schatzes seid. Ihr könnt dann das Ganze nehmen; und wenn er und sein Mitfrevler zu murren wagen, so droht ihnen, als Ungläubigen und Hexenmeistern, mit dem Scheiterhaufen und dem Pfahl.«
Dem Alcalden gefiel der Rath. Er glättete seine Stirne und sagte, zu dem Mauren gewendet: »Diese Geschichte ist wunderbar, und mag wahr sein; – allein ich muß mich mit eigenen Augen davon überzeugen. Noch in dieser Nacht müßt Ihr die Beschwörungen in meiner Gegenwart wiederholen. Wenn wirklich ein solcher Schatz da ist, wollen wir ihn freundschaftlichst unter uns theilen, und nicht ferner von der Sache sprechen; habt Ihr mich aber getäuscht, so erwartet von mir keine Gnade. Mittlerweile müßt Ihr im Gefängniß bleiben.«
Der Maure und der Wasserträger stimmten diesen Bedingungen freudig bei; zufrieden, daß der Ausgang die Wahrheit ihrer Worte bewähren würde.
Gegen Mitternacht machte sich der Alcalde, begleitet von dem Alguacil und dem Barbier, allesammt gut bewaffnet, in aller Stille auf den Weg. Sie führten den Mauren und den Wasserträger als Gefangene mit sich und hatten sich den starken Esel des Letztern noch zugesellt, um ihm den gehofften Schatz aufzubürden. Ohne bemerkt zu werden, kamen sie an den Thurm, banden den Esel an einen Feigenbaum und stiegen in das vierte Gewölbe des Thurmes hinab.
Die Rolle wurde hervorgeholt, die gelbe Wachskerze angezündet, und der Maure las die Beschwörungsformel. Die Erde bebte wie früher, der Boden öffnete sich mit einem donnernden Schall, und die schmale Treppe ward sichtbar. Der Alcalde, der Alguacil und der Barbier waren schreckenbleich und konnten nicht so viel Muth finden, hinabzusteigen. Der Maure und der Wasserträger traten in das untere Gewölbe und fanden die zwei Mauren stumm und regungslos, wie früher, dasitzen. Sie hoben zwei große, mit Goldmünzen und kostbaren Steinen gefüllte Gefäße weg. Der Wasserträger schleppte sie, eines nach dem andern, auf seinen Schultern hinauf; obgleich er aber ein sehniger kleiner Mann und an das Tragen von Lasten gewöhnt war, wankte er doch unter ihrem Gewichte und fand, als er sie auf den beiden Seiten seines Esels befestigt hatte, daß sie so viel ausmachten, als sein Esel nur tragen konnte.
»Laßt uns für jetzt zufrieden sein«, sagt der Maure, »wir haben hier so viel Kostbares, als wir, ohne bemerkt zu werden, fortschaffen können, und genug, um uns Alle so reich zu machen, als das Herz es nur verlangen kann.«
»Ist der Schatz noch nicht ganz in unsern
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