Sahnehäubchen: Roman
berufliches Gespräch zu sein. »Ich dachte, bei Schön und Reichs schüttet man sich einfach den Schampus hinter die Binde.«
»Das Geheimnis meines Erfolgs ist, dass ich beides gleichzeitig kann.« Und schon wird das Grinsen noch ein Stückchen breiter, falls das überhaupt noch möglich ist. »Wir werden die Pressearbeit für eine der Neuerscheinungen machen. Gewissermaßen ein Testballon, denn es handelt sich um einen der ersten Ratgeber, den der Verlag herausbringt. Wenn wir da einen guten Eindruck machen, können wir mit etwas Glück in Zukunft die gesamte Pressearbeit übernehmen. Wäre das nicht klasse?«
Ich nicke anerkennend. »Klingt auf jeden Fall nicht schlecht.«
»Und es würde genau reinpassen«, erzählt Susanne weiter, »gerade habe ich begonnen, mir um unsere wirtschaftliche Entwicklung Sorgen zu machen, da spaziert ein neuer Kunde durch die Tür. Noch dazu aus einer sehr interessanten Branche.«
Susanne hat recht, das klingt spannend. Gut, der Weidner-Verlag ist nicht gerade für große Literatur bekannt, aber es könnte trotzdem ein Schritt in eine neue Richtung sein. Unsere Kunden kommen bisher eher aus den Bereichen Spirituosen und Baustoffhandel, nicht gerade besonders glamouröse Betätigungsfelder. Okay, Feuer der Leidenschaft ist nun auch nichts, wovon ich meinen Freundinnen begeistert erzählen möchte, aber wenn’s gut bezahlt wird, warum nicht? Außerdem soll es sich ja um einen Ratgeber handeln, es besteht also begründeter Anlass zur Hoffnung, dass es nicht um einen dieser grauenhaften Lore-Romane geht.
»Das wäre natürlich toll«, erwidere ich daher. »Würde mir deutlich mehr Spaß machen, als noch einen neuen Schnaps unter die Leute zu bringen.«
»Siehst du, Nina, das dachte ich mir. Und nachdem du in unserem Laden eindeutig der Schöngeist mit dem Händchen für Literatur bist, habe ich beschlossen, dass du dieses wichtige Projekt betreuen wirst.«
Klasse! Das neue Jahr geht gleich gut los, die Chefin vertraut mir einen Neukunden an, der zumindest in ihren Augen recht wichtig ist. Hat es sich also doch gelohnt, sie über die Jahre immer wieder mit Lesetipps versorgt zu haben!
»Das freut mich, Susanne. Und ich bin mir sicher, dass wir Weidner zeigen werden, dass wir genau die Richtigen für seinen Verlag sind«, stelle ich selbstbewusst fest. »Wie heißt das Buch denn, und wovon handelt es?«
»Moment – ich schau mal nach. Es ist eine Übersetzung aus dem Englischen, der Autor ist Amerikaner.« Sie geht in ihr Zimmer, ich folge ihr. Aus der Handtasche, die auf ihrem Stuhl liegt, zieht sie eine dünne Mappe und schlägt sie auf.
»Ah ja, das Buch heißt Ich krieg sie alle in die Kiste und ist von einem gewissen Dwaine F. Bosworth.«
Bitte?
Ich krieg sie alle in die Kiste?
»Äh … Kiste?«, spreche ich meine Gedanken laut aus. »Von welcher Kiste reden wir denn hier?« Für einen kurzen Moment habe ich die Hoffnung, dass es sich bei dem Werk um die Memoiren eines auf dem Großmarkt beschäftigten Obst- und Gemüsepackers handelt. So ein Enthüllungsroman à la Deutschland ganz unten. Susanne zieht die Augenbrauen hoch und bedenkt mich mit einem spöttischen Blick.
»Na, welche Kiste wohl? Ins Bett, er kriegt sie alle ins Bett, soll das heißen. Bei Dwaine F. Bosworth, Moment, ich lese mal vor, was hier steht«, fährt sie fort, »handelt es sich um einen der begnadetsten Pick-up-Artists unserer Zeit – keine Frau kann ihm widerstehen. Lesen Sie exklusiv, worin sein Geheimnis besteht, und lernen Sie selbst vom Meister der Verführung.«
»Pick-up-Artist?«, frage ich irritiert nach.
»Das ist so eine Bewegung aus den USA«, klärt mich Susanne auf. »Männer, die es sich zum Hobby gemacht haben, so viele Frauen wie möglich rumzukriegen.«
»In die Kiste zu kriegen«, konkretisiere ich.
»Nun beiß dich daran nicht so fest. Ich glaube, das mit der Kiste ist der Arbeitstitel«, meint meine Chefin. »Weidner sagte, dass sie sich vielleicht noch einen anderen Titel ausdenken. Momentan steht wohl auch noch Ich kann sie alle haben zur Diskussion. Finde ich auch nicht schlecht.«
Och nö! Natürlich würde ich mich gerne um ein Buch kümmern. Aber nicht um so eins! Gut, es muss nicht gleich der neue Walser sein, aber die Abschlepptipps irgendeines durchgeknallten Amis? Dann doch lieber Schnaps. Meine fehlende Begeisterung ist mir offenbar anzusehen.
»He, das ist doch erst der Anfang!«, versucht Susanne mich zu beruhigen. »Wie gesagt: Wenn wir diese
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