Sahnehäubchen: Roman
Sache gut hinkriegen, dann könnten wir die Pressearbeit für das gesamte Verlagsprogramm an Land ziehen. Und das wäre doch was, schließlich will Weidner sein Portfolio extrem ausweiten!«
»Ja, natürlich wäre das toll, aber ob ich wirklich so geeignet für gerade dieses Buch bin … ich weiß nicht. Ich meine, mal ehrlich – das Werk scheint sich eher an Männer zu richten. Vielleicht fragst du da den Mann im Team. Henning ist bestimmt sehr interessiert an dem Thema.«
Susanne schüttelt den Kopf. »Henning ist total dicht mit den Möbelhausgeschichten. In den nächsten zwei Monaten plant der Kunde fünf Neueröffnungen, Henning kann nichts Aktuelles mehr übernehmen. Aber ich sehe deinen Punkt«, fügt sie dann hinzu. »Darüber habe ich nämlich auch schon nachgedacht – und bereits eine Lösung gefunden!«
Da bin ich aber mal gespannt.
»Du bekommst einen Mitarbeiter für dieses Projekt zugeteilt.«
Das hört sich natürlich gut an. Zu gut. Denn die Sache hat einen entscheidenden Haken: »Von welchem Mitarbeiter redest du?«
»Ich werde einen neuen Volontär einstellen, der nur dir zuarbeiten wird. Was sagst du jetzt?«
Bevor ich etwas sagen kann, macht es in meinem Hirn gewaltig Pling, und zwar so laut, dass man es fast außerhalb meines Kopfes hören kann. Weidner! Jetzt weiß ich wieder, wo ich diesen Namen in letzter Zeit gehört habe.
»Tom Weidner!«, rufe ich laut. »Du meinst Tom Weidner, oder?« Mir wird kurz ein wenig übel. Denn es liegt ja wohl mehr als auf der Hand, dass Tom Weidner mit neunundneunzigprozentiger Sicherheit etwas mit dem Weidner-Verlag zu tun hat. Daher also die Einladung dieses komplett ungeeigneten Kandidaten! Er hat offenbar etwas mit dem lukrativen Neukunden zu tun, den meine Chefin aufgetan hat.
»Du kennst ihn?«, will Susanne wissen.
»Klar, ich habe das Vorstellungsgespräch von dir übernommen«, erkläre ich und denke zeitgleich darüber nach, wie ich Susanne jetzt schonend beibringen kann, dass ich Tom Weidner eine Absage erteilt habe. »Das war letzte Woche«, füge ich hinzu, um bis zu meinem Offenbarungseid noch ein wenig Zeit zu schinden.
»Das verstehe ich nicht.« Susanne legt die Stirn in Falten. »Er kommt doch erst nächste Woche vorbei.«
»Nein«, widerspreche ich meiner Chefin, »er war bereits hier.«
»Ich weiß aber genau, dass ich ihn für nächste Woche eingeladen habe«, ruft Susanne nun ziemlich aufgeregt und kramt in ihrer Tasche nach dem kleinen, in edles Krokoleder eingebundenen Filofax, den sie immer noch einem Smartphone mit elektronischem Terminkalender vorzieht.
»Dann musst du dir den Termin falsch aus Outlook abgeschrieben haben«, vermute ich. »Auf jeden Fall war Tom Weidner schon hier.« Mittlerweile sind meine Hände schweißnass, denn mir ist klar, dass meine Chefin sich nun gleich nach dem Ausgang des Gesprächs erkundigen wird. Und das …
»Tja, da ist wohl tatsächlich etwas durcheinandergeraten«, unterbricht sie meine Gedanken. »Aber egal, so habt ihr euch wenigstens schon einmal kennengelernt. Und, wie war es?« Sie lächelt mich erwartungsvoll an.
Was sage ich bloß? Okay, am besten ganz direkt und schnörkellos die Wahrheit.
»Ich habe ihm abgesagt.«
»Du hast was? «
»Abgesagt. Ich habe ihm abgesagt.«
»O nein! Das darf doch nicht wahr sein!« Susanne schlägt sich die Hände vors Gesicht. Aber nur für einen kurzen Augenblick. Dann hat sie den Schreck verdaut und ist wieder ganz die autoritäre Chefin. »Weidner junior ist der Sohn vom Alten. Sein Volontariat ist Teil des Deals!«, klärt sie mich auf. »Das musst du unbedingt wieder geradebiegen, Nina. Sofort! Es ist nicht akzeptabel, dass dein unüberlegtes Handeln diesen wichtigen Auftrag gefährdet.«
»Also hör mal!«, gehe ich in Verteidigungshaltung. »Dann hättest du mich eben besser briefen müssen. Von diesem Termin hast du kein Wort gesagt, und ich wollte dich wegen eines Volontärs, der normalerweise weit unterhalb deiner Wahrnehmungsschwelle rangiert, nicht im Urlaub stören.« Dabei fällt mir etwas anderes ein. »Außerdem hast du die Sache mit Weidner doch erst in Kitzbühel klargemacht – wie kann denn das mit seinem Sohn schon Bestandteil der Vereinbarung gewesen sein?« Einen Moment lang blitzen wir uns wortlos an. Dann seufzt Susanne und rudert zurück. »Entschuldige, so war das nicht gemeint. Natürlich konntest du das nicht wissen. Ich hatte mit Weidner schon vor Silvester über diese Outsourcing-Geschichte gesprochen.
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