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Sahnehäubchen: Roman

Sahnehäubchen: Roman

Titel: Sahnehäubchen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Hertz
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Wissens studiert er fleißig Biologie. Wir haben uns zwar schon längere Zeit nicht mehr über seine berufliche Zukunft unterhalten, aber das wird doch wohl noch aktuell sein, oder? Wobei: Dann wäre er inzwischen im zehnten Semester. Ich bin also offensichtlich nicht auf dem neusten Stand.
    »Ich habe mich für das Wainwright-Journalistenstipendium der Studienstiftung beworben«, erklärt er mir. »Ein Jahr als Nachwuchsredakteur bei der Western Times in Los Angeles.« Offensichtlich gucke ich maximal erstaunt, denn Jakob schiebt gleich hinterher: »Ich habe doch in den letzten zwei Jahren nebenbei bei einer Tageszeitung gejobbt. Irgendwann habe ich gemerkt, dass mir diese Arbeit wahnsinnig viel Spaß macht. So kam die Idee mit dem Stipendium. Und als Naturwissenschaftler hat man dort gar nicht so schlechte Chancen. Gestern kam die Zusage, nächsten Monat geht es auf in die USA.«
    »Echt? Das hast du mir gar nicht erzählt!«
    »Hab ich wohl, Schwesterchen«, grinst er mich an. »Du hörst mir einfach nicht richtig zu.«
    »Gar nicht wahr!«
    »Und wie heißt meine Frau?«
    »Deine …« Mein Unterkiefer rast nach unten, so sehr erschrecke ich mich – bis ich Jakobs breites Grinsen sehe. »Frau, ja? Bei dir hält es doch keine länger als ein paar Wochen aus«, grummle ich ihn an, kann ein Lächeln aber auch nicht unterdrücken. Er hat ja recht: Wir sehen uns nicht oft, und wenn wir telefonieren, drehen sich unsere Gespräche meistens um Mama, Finja, meinen Job oder andere Alltagsthemen. Es ist nicht so, als würden wir uns nicht mögen, im Gegenteil – aber Jakob ist einfach mein kleiner Bruder, mit dem ich nicht so viele Gemeinsamkeiten habe. Finja und ich stehen uns näher, obwohl sie sich in eine Edelhausfrau verwandelt hat.
    Es überrascht mich trotzdem, dass Jakob seinen neuen Berufswunsch so lange unter dem Deckel gehalten hat, denn ich bin mir ziemlich sicher, dass ich eine entsprechende Andeutung ganz sicher nicht überhört hätte, zumal ich in einer artverwandten Branche arbeite. Und nicht nur das: Unser Vater ist eine echte Journalistenlegende und hat seit Mitte der siebziger Jahre mehr als einmal Pressegeschichte geschrieben.
    »Jetzt noch mal ganz langsam«, sage ich, »du hast dich also auf das Stipendium beworben, ohne etwas zu sagen?«
    Jakob zuckt mit den Schultern. »Weißt du, ich wollte vor allem mir selbst beweisen, dass ich das auch alleine schaffen kann. Ohne eure Unterstützung. Ich werde vermutlich sowieso immer der Sohn vom alten Seefeld sein, da wollte ich wenigstens das mal ohne Hilfe eintüten.«
    »Klar, das verstehe ich. Aber warum denn ausgerechnet Journalismus? Da wirst du doch erst recht immer mit Papa verglichen!«
    »Das stimmt zwar, aber es ist einfach das, was mich am meisten interessiert. Ich meine, Biologie ist spannend, aber ich hatte immer mehr das Gefühl, damit nur angefangen zu haben, weil es eben nicht das ist, was Papa auch gemacht hat.«
    Ich verstehe, was er meint. Unser Vater war immerhin lange Zeit Chefredakteur einer der größten deutschen Tageszeitungen. Das Gefühl, mit ihm verglichen zu werden, kenne ich nur zu gut. Bis heute nervt mich die Frage, ob ich nicht lieber als »richtige« Journalistin arbeiten würde, anstatt mein Dasein in einer PR-Agentur zu fristen. Gerade meine Mutter ist Spezialistin auf diesem Gebiet. Ich habe mir angewöhnt, nicht darauf zu reagieren. Aber ärgern tut es mich doch.
    »Du machst das genau richtig, Jakob, zieh dein Ding durch«, pflichte ich ihm bei. »Und wenn es das Gleiche ist, was Papa gemacht hat, dann ist es eben so. Du wirst es sowieso auf deine Weise angehen, also lass dich nicht davon abbringen.«
    Jakob lächelt. Er sieht erleichtert aus. »Danke, Schwesterlein.« Er haucht mir einen Kuss auf die Wange und grinst mich dann an.
    »Aber dein Diplom machst du noch, oder?«, hake ich trotzdem noch einmal nach.
    Jakob hebt die Hand zum Schwur. »Natürlich, Ehrenwort. In drei Wochen muss ich die Arbeit abgeben. Heißt allerdings mittlerweile Bachelor.«
    »Dann ist’s ja gut. Ich hatte diese Woche einen Bewerber für ein Volontariat«, erzähle ich meinem Bruder, »der hat noch so gar nichts auf die Kette gekriegt. Das kommt dann selbst in der bunten PR-Welt nicht so gut an.«
    »Mach dir keine Sorgen, Nina. Und jetzt hole ich uns noch mal etwas zu trinken – da ist so viel Luft in deinem Glas.«

    Als ich spätabends nach Hause komme, habe ich eigentlich einen sehr netten Tag verbracht. Zwar hat Mama weiterhin

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