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Sahnehäubchen: Roman

Sahnehäubchen: Roman

Titel: Sahnehäubchen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Hertz
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schaue betreten zu Boden. Susanne hat recht – so wird es nicht gehen. Wenn wir Weidner senior nicht vergraulen wollen, muss ich wohl über meinen Schatten springen.
    »Okay. Ich rufe ihn selbst an«, erkläre ich schließlich. »Ich glaube zwar nicht, dass wir danach die dicksten Freunde werden, aber ich werde mich zumindest für den Ton entschuldigen. Vielleicht rettet das die Sache irgendwie.«
    »Danke, Nina. Ich weiß das zu schätzen.«

    »Hallo?«
    Weidners Stimme klingt völlig verschlafen. Hoffentlich habe ich ihn nicht geweckt, das wäre sicher kein guter Einstieg in ein Gut-Wetter-Gespräch. Andererseits – es ist bereits elf Uhr. Da kann man ruhig mal aufstehen. Ich merke, dass ich schon wieder beginne, mich über Tom Weidner zu ärgern. Freundlich bleiben, Nina, ermahne ich mich selbst.
    »Guten Tag, Herr Weidner. Hier ist Nina Seefeld. Ich weiß nicht, ob Sie sich erinnern. Sie hatten in der letzten Woche ein Gespräch bei mir.«
    »Frau Seefeld? Hallo! Natürlich erinnere ich mich, wie könnte ich das vergessen.«
    Das hatte ich befürchtet. Tom Weidner ist die ganze Geschichte natürlich präsent. Kein Wunder, ist ja schließlich erst ein paar Tage her. Ich räuspere mich und denke noch einmal an den Geschmack der zarten Vollmilch-Luxusschokolade, die ich mir in Vorbereitung für meinen Gang nach Canossa gegönnt habe – wegen positiver Energie und so.
    »Ja, also Herr Weidner, ich denke, Sie haben wohl mittlerweile meinen Brief gelesen, und da wollte ich …«
    »Noch ein paar Unverschämtheiten hinterherschicken? Gerne – schießen Sie los! Oder wollten Sie gar überprüfen, ob Sie mir besser mal den Notfallseelsorger vorbeischicken? In diesem Fall kann ich Sie beruhigen. Der Freitod ist für mich keine Alternative zum Volontariat bei Ihnen.«
    Erstaunlich: Tom Weidner klingt blendend gelaunt. Ganz offensichtlich hat mein Schreiben nicht dazu geführt, dass er in dumpfe Depressionen versinkt. Ich bin etwas ratlos – eigentlich wollte ich wortreich erläutern, dass ich in der vergangenen Woche einen sehr schlechten Tag hatte und er sich das bitte nicht zu Herzen nehmen solle. Und dann hätte ich ihn erneut in die Agentur eingeladen. Aber was mache ich jetzt? Ich entscheide mich für die direkte Variante. Anders kommen wir hier nicht weiter.
    »Dann sind Sie also nicht …«, ich suche nach dem richtigen Wort, »sauer über die Absage, die ich Ihnen geschickt habe?«
    »Nein. Es mag vielleicht seltsam klingen, aber irgendwie war ich angenehm überrascht.«
    Er war … was? »Sie haben recht, das klingt seltsam.«
    »Wissen Sie, Frau Seefeld, mir ist doch völlig klar, dass Sie mich nur eingeladen haben, weil ich Weidner heiße. Ich kenne meinen eigenen Lebenslauf – der ist alles andere als beeindruckend. Macht mir persönlich nichts aus, ich komme schon durch. Bisher habe ich immer etwas gefunden, womit ich mich über Wasser halten kann. Aber weil sich mein Vater langsam Sorgen macht, dass aus seinem Sohn nichts anderes als Alleinerbe wird, habe ich ihm versprochen, es wenigstens noch einmal mit einer Ausbildung zu versuchen. Als er mir dann von dem Volontariat in Ihrer Agentur erzählte, war mir gleich klar, dass er da wieder irgendwas gedealt hat. Wahrscheinlich hat er mit einem großen Auftrag gewinkt, oder?«
    »Äh, also …«
    »Und deswegen war ich ganz schön beeindruckt, wie Sie mich haben auflaufen lassen. Respekt, Frau Seefeld. Wenn Papa erst mal mit Geld wirft, traut sich das kaum noch einer.«
    »Ja, wie soll ich sagen …« Wenn ich das nicht wieder hinbiege, dann wirft stattdessen Susanne. Und zwar mich raus. »Herr Weidner, es tut …«
    »Nein, ist schon in Ordnung. Ich habe mich unterirdisch benommen, Sie haben mir abgesagt, völlig okay. Hut ab vor Ihrer Konsequenz. Es ist fast schade, dass aus uns jetzt nichts wird.« Ich höre seiner Stimme an, dass er grinst. »Aber was wollten Sie mir denn eigentlich sagen?«
    Ob jetzt ein guter Moment wäre, zu erzählen, dass ich von Papi gar nichts wusste? Vermutlich eher nicht. Ich versuche es mit einer anderen Taktik. Schließlich dreht mir Susanne den Hals um, wenn ich ohne Weidner junior wieder in der Agentur auftauche.
    »Sehen Sie, Herr Weidner, ich habe auch noch einmal über unser Gespräch nachgedacht. Und mir ging es ähnlich wie Ihnen – dass Sie so gegen den Strich gebürstet sind, war zumindest sehr ungewöhnlich. Und heute dachte ich so bei mir: Warum soll man nicht mal einem Paradiesvogel eine Chance

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