Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sahnehäubchen: Roman

Sahnehäubchen: Roman

Titel: Sahnehäubchen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Hertz
Vom Netzwerk:
gehen?« Ein enttäuschter Ausdruck tritt auf ihr Gesicht. »Du bist doch gerade erst gekommen – und ich habe noch gar nicht gespielt. Willst du das nicht wenigstens abwarten? Mir zuliebe?« Das alljährliche Highlight habe ich vergessen: Finjas Klavierkonzert. Als ausgebildete Pianistin lässt sie sich keine Gelegenheit für einen kleinen Auftritt nehmen.
    »Es tut mir leid«, erkläre ich ihr, »aber ich bin heute nicht so fit – außerdem geht mir Mama mördermäßig auf den Zeiger. Sie versucht schon wieder, mir hier jeden Junggesellen anzudrehen, der bei drei nicht auf dem Baum ist. Schrecklich!«
    Finja lacht mit ihrer glockenklaren Stimme, was für sich genommen schon einem kleinen Konzert nahekommt. Meine Schwester hatte es schon immer drauf, sich auf eine hinreißende Art und Weise mädchenhaft zu geben. Zumindest Männer sind davon stets hingerissen. Alexander war der dritte Kerl in Folge, der ihr einen Heiratsantrag machte, und den Herrn Doktor aus gutem Hause hat sie natürlich nicht abgewiesen. Wenn es nach meiner Mutter ginge, würde ich mir von Finjas Bezirzungskünsten eine dicke Scheibe abschneiden. Nur will ich das eben nicht. Lieber bleibe ich allein, als auf niedliches Püppchen zu machen oder zur Vorzeigeehefrau und perfekten Gastgeberin zu mutieren.
    »Dann tu ihr doch den Gefallen und verlieb dich«, grinst Finja mich an, als hätte sie meine Gedanken gelesen. »Jörg Hohentwiehl hat sie dir bestimmt schon vorgestellt, oder?«
    »Exakt«, bestätige ich ihre Vermutung. »Woher weißt du das?«
    »Na, sie hat ihn heute kennengelernt und fand ihn gleich ganz toll. Da hatte ich schon so eine Befürchtung.« Sie lacht perlend. »Jörg ist aber wirklich nett«, fügt sie dann hinzu. »Er übernimmt die Gynäkologie in Alexanders Krankenhaus. Vielleicht wechselst du doch mal ein paar Worte mit ihm?«
    Ich schüttle den Kopf. »Nee, danke. Ich bin momentan ganz glücklich ohne Mann. Und einen neuen Frauenarzt suche ich auch nicht. Also habe ich in keinerlei Hinsicht Verwendung für Dr.Hohentwiehl.«
    »Okay, dann spare ich mir weitere Überredungsversuche«, erwidert meine Schwester. »Aber bleib wenigstens, bis Jakob da ist. Ich würde so gerne mal wieder meine beiden Geschwister auf einmal sehen.«
    Ich seufze. Auf Jakob zu warten heißt in der Regel, mehrere Stunden Lebenszeit zu opfern, denn mein kleiner Bruder ist leider der unpünktlichste Mensch der Welt. Ich habe schon mehr Zeit damit verbracht, auf ihn zu warten, als mit ihm selbst. »Also, weißt du …«
    Finja guckt mich mit einem echten Dackelblick an, dem ich so gut wie nie widerstehen kann.
    »Na gut«, willige ich ein. »Ich bleibe noch. Aber du musst mir Mama vom Hals halten, sonst garantiere ich für nichts!«
    »Gut, ich verwickle sie in ein Gespräch über ihre Zeit am Konservatorium, das wird sie beschäftigen. Vor allem, wenn ich ein paar ambitionierte Zuhörer auftreiben kann. Und die werde ich gleich mal suchen.« Spricht’s und mischt sich wieder unter das Volk. Ich beschließe, mir noch ein Glas Sekt zu holen. Wenn ich hierbleibe, kann ich dem trüben Tag wenigstens mit Alkohol ein bisschen Sonne einhauchen.

    Nach dem zweiten Glas ist meine Laune tatsächlich deutlich besser. Finja hat mittlerweile zur Freude der versammelten Gästeschar eine Kostprobe ihres Könnens gegeben, den Kulturteil hätten wir also hinter uns gebracht. Auch Jakob hat es endlich nach Wellingsbüttel geschafft. Mit einem Glas in der Hand steuert er auf mich zu und legt mir lässig einen Arm um die Schulter, ein langer, dünner Schlacks von fast zwei Metern. Finja hat recht, es ist schön, ihn zu sehen, statt zu telefonieren oder eine SMS zu schicken.
    »Hallo, kleine Schwester! Ein frohes neues Jahr!« Ich winde mich aus seiner Umarmung und knuffe ihn in die Seite.
    »Vorsicht, Küken! Und ein bisschen mehr Respekt vor dem Alter! Was hat denn bei dir wieder so lange gedauert?«
    »Ach, du weißt ja, immer viel los bei mir.«
    »Ja, klar. Als Student ist man quasi im Dauerstress«, ziehe ich ihn auf. »Du Armer! Hoffentlich hast du nicht bald einen Burn-out.«
    »Du wirst lachen – diesmal bin ich wirklich ein bisschen ins Schwitzen gekommen. Ich hatte doch Aufnahmeprüfung.«
    »Aufnahmeprüfung?«, frage ich irritiert nach. »Wo willst du denn aufgenommen werden?« Ich kann mich nicht erinnern, mit meinem kleinen Bruder in letzter Zeit irgendein Projekt in Verbindung gebracht zu haben, das eine Aufnahmeprüfung erfordert hätte. Meines

Weitere Kostenlose Bücher