Saigon - Berlin Thriller
Grenzer von der Bornholmer Straße. Eine Tochter, die eine Mörderin war. Einen dubiosen BND-Mann im Nacken, der auch nur auf etwas wartete. Hier schien jeder auf alles zu lauern. Nur auf was?
Ich konnte mich nicht mehr auf meine Arbeit konzentrieren. Malte mir die größten Horrorgeschichten aus. Langsam wurde ich paranoid. Warum suchte ich Idiot überhaupt noch nach etwas, um das ich mich zwanzig Jahre nicht gekümmert hatte? Ewald musste weg. Egal wie. Der Mann ging mir langsam auf die Nerven. Er hatte meiner Tochter ein Zuhause gegeben. Na schön. Das galt ich hier ab. Er fuhr meinen alten Golf. Tankte auf meine Kosten. Telefonierte auf meine Kosten. Trank mein Bier. Aß mein Essen. Selbst seine Zigaretten kaufte ich inzwischen. Er machte nicht den geringsten Versuch, mir diese blöden Kopien meiner Akte zu erklären.
»Vertrau mir, bis ich mehr weiß«, hatte er mich weiter abgewimmelt. Langsam schwand das, was ich an Vertrauen in ihn investiert hatte. Es begann sich ins Gegenteil zu wandeln. Hass. Hilfloser Hass, solange die Kopien auf meinem Tisch lagen und nicht geklärt war, was sie zu bedeuten hatten. Warum Ewald Steiger, der bei mir wohnte, von der Stasi als mein Betreuer geführt wurde. Bevor ich das nicht wusste, musste ich ihn ertragen. Und er wusste etwas. Sonst hätte er anders reagiert. Wenigstens den Versuch gemacht, mir zu erklären, dass das alles so nicht stimmte, weil ...
Aber das hatte er nicht. Die Dokumente lagen nach wie vor an ihrem Platz. Als seien sie mit der Tischplatte verwachsen. Langsam nahmen sie Gebrauchspuren von Tabak und Kaffeeflecken an.
Montag, im Verlag.
Meine Laune war auf dem Nullpunkt. Ich sichtete die Post auf meinem Schreibtisch. Es regnete. Ewald hatte mich, wie seit zwei Wochen, ins Büro gefahren und war dann ohne Angabe von Zielen wieder verschwunden.
Zwei Briefe zogen meine Aufmerksamkeit auf sich. Einer war blau und roch nach Zimt, der andere trug eine etwas umständliche Handschrift. Meine Ahnung sagte mir, dass beide miteinander etwas zu tun hatten. Ich wog sie in den Händen. Blau war meine Nachbarin. Der weiße mit einer unüblichen Handschrift ... Es konnte eine Adaptation von Viet sein.
Mit wem sollte ich anfangen?
Mit beiden, du Idiot, meckerten meine Gehirnhälften gleichzeitig.
Der blaue Zimtumschlag. Ihn öffnete ich zuerst. Er war mir vertrauter.
»Mein lieber Herr Nachbar«, stand da in der steilen Handschrift meiner Nachbarin. »Ich will mich nicht beschweren, dass Sie seit zwei Wochen keinen Leserbrief mehr von mir veröffentlicht haben. Aber seit dieser komische Mann bei Ihnen zu Besuch ist, fühle ich mich verpflichtet, Sie über einige Vorgänge im Haus zu informieren.«
Es folgten ein paar Anmerkungen, die mir allerdings zu denken geben konnten. Ewald Steiger traf sich für die Hausbewohner verdächtig oft mit einem Mann in der Wohnung des Hausmeisters. Außerdem kümmerte er sich nicht um die Putzordnung für die Treppen.
Das zweite Kuvert enthielt weniger Informationen. Sie waren in vietnamesisch. Trugen aber keine Unterschrift.
»17.00 Uhr, heute. Kölner Dom. Eingang Nordseite. Lichterbank. Eine Kerze brennt nicht. Gegen brennende Kerze austauschen. Aufschrauben und Info entnehmen.«
Ich hatte den Verlag über die Lieferantenseite verlassen, um Ewald nicht zu begegnen, der mich um diese Zeit abholen wollte. Ein Taxi hatte mich am Roncalliplatz abgesetzt. Ich hatte mir die Kapuze meiner Winterjacke übergezogen und war bei strömendem Regen um den Dom herumgetrabt.
Der Wind pfiff mir auf der Domplatte entgegen. Es war fast eine Erholung, den Dom zu betreten. Hier herrschte Stille. Das wenige Tageslicht vermittelte eine Atmosphäre der Geborgenheit. Nur wenige Menschen waren zugegen. Die nicht brennende Kerze hatte ich schnell gefunden. Eine neue gekauft und sie brennend an ihren Platz gesteckt. Was machte ich jetzt damit? Sie fühlte sich nicht nach Wachs an und einer der Domwächter fixierte mich misstrauisch. Er schlich mir hinterher, seit ich den Kirchenraum betreten hatte. Das künstliche Gebilde einfach einstecken und gehen? Das schien mir die falscheste Version zu sein. Ich hatte etwas entnommen, das zwar nicht brannte, aber von jemand anderem bezahlt worden war. So sah es wenigstens für den Aufpasser aus.
Beten. Es gab keine andere Lösung. Das Gebilde schnell untersuchen und verschwinden. Kauernd sank ich in einer Bankreihe auf die Knie. Faltete die Hände und murmelte Flüche. Hauptsache meine Lippen bewegten
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