Saigon - Berlin Thriller
bekämpfen.«
Die Kondensstreifen am Himmel zogen meine Gedanken mit sich. Wer war dieser Brian Eppstein? Ein Oberst, ein Colonel im Ruhestand, der als Major der amerikanischen Truppen unterwegs war? Wie ging das? Gerne hätte ich seinen Ausweis gesehen, den er den Polizisten am Springbrunnen gezeigt hatte. Die hatten sich sofort und höflich, fast ehrerbietig in ihren Jeep zurückgezogen und auf ihn gewartet. Er konnte nur eine Sonderaufgabe haben. Das flüsterten mir selbst die wenigen Erfahrungen als junger Journalist zu. Aber welche?
»Warum bist du Oberst, also die letzte Stufe vor einem General? Aber als Major unterwegs?« Es war ein Versuch, diesen zwar sympathischen, aber inzwischen undurchschaubaren Mann, zu einer Aussage zu drängen.
Der Jeep bog in ein Waldgebiet ab.
»Warum nennst du die Wasserpuppenspielerin Kleiner Drache und sie dich Großer Drache?«
Er schien alles zu wissen und über jede meiner Bewegungen informiert zu sein. Mit Kleiner Drache hatte ich mir offensichtlich eine Laus in den nicht mehr vorhandenen Pelz gesetzt.
»Du bist beim Geheimdienst?«
Brian gab keine Antwort.
Wir passierten ein Sperrgebiet, das von Erdwällen und Wachtürmen geschützt war. Aus jedem Erdhügel schauten Maschinengewehrläufe in die Landschaft. Panzermotoren dröhnten. Die Rotoren von Hubschraubern verbreiteten ein sirrendes Geräusch. Brian winkte wieder mit seinem Ausweis. Die Wachhabenden salutierten und meldeten unsere Ankunft über Feldtelefon.
Der Jeep hielt in einer Staubwolke vor einem ... ja, was war das eigentlich?
Ein Maulwurfshügel mit einer Bretterverschalung. Zwei Fenster. Eine Tür. Mehr war nicht zu sehen. So, als habe sich ein Igel für den Winterschlaf eine Eigenheimfassade geleistet.
»Hallo Brian. Hat man dich degradiert?« Der kleine Mann grinste hinter seinem grob gezimmerten Schreibtisch. Die Asche krümelte von seiner Zigarette im Mundwinkel auf eine Karte. Schwarze, wenige Haare. Ein scharf geschnittenes Gesicht. Die Schulterklappen auf seinem durchschwitzten Hemd wiesen ihn als Oberst der südvietnamesischen Nationalarmee aus.
»Setzt euch. Wer ist der junge Mann? Kann ich ihm trauen?« Er deutete auf mich. Eine zweite Zigarette verkokelte im Aschenbecher. Er hustete. Hinter ihm war an der Wand eine Karte mit Nägeln aufgespannt, die das hiesige Umfeld im Detail und Vietnam im Ganzen zeigte. Rote, blaue und schwarze Linien zeigten strategische Punkte, die ich nicht verstand.
»Ja, Oberst Nguen. Man hat mich degradiert. Daher bin ich Ihnen unterstellt und hoffe auf Ihre Hilfe.«
Entweder war Brian saudumm, was ich bisher nicht hatte feststellen können, oder superschlau. Er war schwarz. Aber in einem fremden Land. Somit hatte er sich verwandelt. Seine Größe konnte er nicht ändern. Er war mindestens drei Köpfe größer und hundert Kilo schwerer, als dieser Oberst. Also hatte er sich ihm im Rang unterstellt. Raffiniert. Anders konnte ich das nicht bezeichnen.
»Und der junge Mann hier«, Brians Pranke legte sich väterlich auf meine Schulter, »also, dieser junge Mann hier sucht seinen Freund. Meinen Sohn. Er ist auch bei der Washington Post.«
Die Augen des vietnamesischen Obersts verengten sich. Sie durchleuchteten mich. Dann nickte er.
»Na schön. Wie geht es deiner Familie? Deiner Schwiegermutter? Lebt sie immer noch auf dem Sampan im Mekong-Delta?«
Es verging eine halbe Stunde, bis beide ihre Familiengeschichten ausgetauscht und dabei eine Flasche Reisschnaps getrunken hatten. Sie kannten sich bereits aus dem Indochinakrieg. Sie waren Blutsbrüder. Jeder hatte jedem schon einmal das Leben gerettet.
Befehle des Obersts bellten durch den Erdbunker. Karten und Luftbildaufnahmen wurden herbeigeschafft. Was gesprochen wurde, verstand ich nicht. Es war eine hohe, scharfe und schnelle Sprache. Brian schien sie zu verstehen. Die beiden unterhielten sich und sichteten das Material.
Er ließ sich wieder auf den wackeligen Hocker fallen. Der Oberst schenkte Schnaps nach und bot amerikanische Zigaretten an.
»Scheißspiel«, knurrte Brian. Er sortierte die Fotos um und deutete auf einen Punkt, der für mich nur wie eine Lichtung in einem beliebigen Urwald aussah.
»Wo ist das Problem?«, versuchte ich die Deutung des Fingers zu erkunden.
Brian atmete tief durch. Der Oberst nickte besorgt.
»Das Foto ist schon ein paar Wochen alt. Oberst Nguen und seine Militärs sind der Meinung, dass es sich um ein Gefangenenlager des Vietcong handelt.«
»Verstehe ich nicht. Dann
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