Saigon - Berlin Thriller
Oder lügt ihr Langnasen alle?«
Ich atmete tief durch und setzte mich auf das Bett. Die junge Frau putzte den Drachen mit einem Handtuch. Räumte den Kleiderschrank um. So, dass meine Sachen auch noch Platz darin fanden. In den nunmehr leeren Seesack stopfte sie den Drachen und deponierte ihn auf dem Schrank.
»Wer bist du? Hast du auch einen Namen?« Diese kleine Person weiblichen Geschlechts legte ein Tempo an den Tag, dass mir schwindelig wurde. Sie räumte auf. Sie räumte um. Putzte das Waschbecken.
»Ja, ich habe einen Namen. Aber den haben mir andere gegeben.« Sie putze weiter.
»Und wie ist der Name, den dir andere gegeben haben?«
Sie hörte auf zu putzen. Endlich. Sie kam mir wie meine Mutter vor, die ständig auf Fleckenjagd war.
»Mein Soldat ist tot. Ich brauche den Job hier, und du brauchst mich. Den Namen, den man mir gegeben hat, erfährst du in der Bar. Heute sind fünf deiner Kollegen zurückgekommen. Fünf von acht. Frag die, wie ich heiße. Ich kümmere mich darum, dass du baden kannst. Um drei Uhr hast du dein Frühstück. Einverstanden?«
War ich einverstanden, einfach von einer Frau in drei Drachengrößen überrumpelt zu werden?
Es war ein höflicher Hinauswurf aus einem fremden Zimmer, das sie nach ihrem Belieben umräumte. Aber ... »Woher weißt du von meinem Einsatz?«
Sie lächelte. »Hier weiß jeder alles. Besonders der Franzose und dein schwarzer Freund. Nun geh endlich in die Bar, wo Journalisten hingehören. Ich muss das Bett frisch beziehen.«
Es duftete nach Kaffee und gebratenen Eiern. Meine Uhr zeigte, dass es kurz vor drei war.
»Du hast Zeit genug, um danach noch zwanzig Minuten in Ruhe das Bad zu benutzen.«
Der kleine weibliche Drache sah mich lächelnd an. Sie hatte, wie selbstverständlich, in meinem Bett geschlafen.
Mein Kopf brummte. Ich hatte mit den Kollegen zu viel getrunken. Diese Mengen war ich nicht gewohnt. Aber ich hatte auch die Warnung vor dieser Frau erhalten. Sie war bekannt im Hotel. Dafür, dass die Männer, die sie betreute, alle nicht aus ihren Einsätzen zurückgekommen waren. Sie hatte den Namen »Khmer« von meinen Kollegen erhalten. Eine Khmer. Also Kambodschanerin. Zigeunerin. Bombenlegerin. Amazone und somit wehrhaft.
»Woher kommst du? Und wie ist dein wirklicher Name?«, versuchte ich Ordnung in meinen verschlafenen Kopf zu bringen. Mechanisch sortierte ich meine Kameras. Prüfte, ob genug Filme da waren. Die Batterien funktionierten.
»Sie haben dir meinen Namen gesagt?«
»Nein, nur eine Volkszugehörigkeit. Wenn du hier bleiben willst, muss ich wissen, wer du bist. Wie alt du bist. Sonst gebe ich dir einen Namen und werfe dich hinaus.«
Sie setzte sich neben mich auf das Bett und hielt mir eine Tasse heißen Kaffee hin. Die Eier mit Speck brutzelten auf einem Gaskocher vor sich hin. Woher sie das hatte, war mir ein Rätsel. War ich so betrunken gewesen, oder sie so flink, das in der Nacht zu besorgen?
»Ich weiß, dass deine Leute mich für eine Khmer halten. So nennen sie mich auch.« Sie schmunzelte. »Gib du mir einen Namen. Er wird hoffentlich schöner als die bisherigen sein.«
»Schöner als wie viele vorher?« Sollten meine ausgelaugten und erschöpften Kollegen an der Bar, die sich den Einsatz von mehreren Wochen aus den Knochen soffen, recht haben? Diese Frau war undurchsichtig.
Die kleine Frau lächelte, als habe sie diese Frage erwartet. Schaufelte mir die Speckeier auf einen Teller.
»Einen schöneren eben. Für die einen bin ich eine Khmer, für die anderen eine Cong. Für wieder andere bin ich ... nichts. Geboren bin ich im Mekong-Delta. Vor zwanzig Jahren. Dafür kann ich aber nichts. Die politischen Grenzen haben andere gezogen.«
Ich kaute und trank Kaffee. Sie sah nur interessiert zu und sortierte meine Kleider.
Einen Namen geben? Wie einem Kind? Einem Kind, das schon Kaffee kochte und mit dem Gaskocher umzugehen wusste? Hier tat sich eine völlig neue Mentalität für mich auf. Oder verschloss sie sich dadurch?
»Würde dir ›Kleiner Drache‹ gefallen?«
Sie lächelte. »Das ist ein sehr schöner Name. Der beste, den ich bisher hatte. Ich werde dich mit meiner Mutter bekannt machen und du wirst deinen ersten Einsatz überleben. Der letzte Soldat hat mich Mistvieh genannt. Er hat es nicht überlebt. Ist das ein böser Name in euren Sprachen?«
Ihre braunen Augen sahen mich forschend an.
Ich nickte stumm. »Aber ich bin kein Soldat. Ich bin Journalist.«
Kleiner Drache räumte das Geschirr ins
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