Saigon - Berlin Thriller
schweren Maschinengewehren bestückt waren. Drei Lastwagen mit Soldaten folgten.
»Ausweise.« Ein Militärpolizist klopfte mir auf die Schulter. Ein Kollege sicherte mit der Maschinenpistole.
»Und die da auch ...«, deutete er auf die Wasserpuppenspielerin, die sich nicht beirren ließ. Für sie schien es keinen Krieg, keine Soldaten und keine Polizisten zu geben. Sie spielte. Der Drache sah nur kurz aus dem Wasser, um weiterzuschwimmen. An zehn Fingern.
»Lasst sie in Ruhe. Die gehören zu mir.« Brians Pranke quetschte die Schulter des Polizisten. Er hielt dem Mann einen Ausweis vor, den ich nicht sehen konnte.
»Wir machen nur unseren Dienst, Sir«, sagten die beiden und zogen sich in ihren Jeep zurück, der aber nicht weiterfuhr.
»Da hast du dir aber was ganz Exquisites angelacht.« Er zog Schuhe und Strümpfe aus und hielt die Zehen ins Wasser. Der Drache attackierte die Gliedmaßen sofort. Brian lachte. Es kitzelte.
»So ein weibliches Exemplar von Spielerin wirst du in Vietnam nicht noch einmal finden. Das ist Männersache. So long. Um vier Uhr.«
Die Socken stopfte er sich in die ausgebeulten Taschen, verknüpfte die Schnürsenkel der Schuhe miteinander und hängte sich das Paar um den Nacken. Barfuß bestieg er den Jeep der wartenden Militärpolizei.
Der Drache sah dem schwarzen Riesen nach und wackelte mit dem Schwanz.
»Kannst du wirklich nicht hören und sprechen?« Das Fabeltier schwamm ruhig vor sich hin. Ich wiederholte mich in allen Sprachen, die ich kannte. Vietnamesisch war nicht dabei. Bei Französisch zuckte der Schwanz.
»Du verstehst also doch was?«
Das Holztier fuhr eine Runde und nickte mit dem Kopf. Sperrte das Maul weit auf und ruderte mit den Beinen.
»Du kannst mich verstehen. Kannst du auch sprechen?«
Der Drache drehte eine wilde Runde und biss mir in die Hand. Es tat weh. Diese Holzzähne waren spitzer, als sie aussahen. Ich zog die Hand aus dem Wasser.
»Ich bin Peter und wohne da drüben.« Ich deutete auf das Hotel. »Wenn du mir noch sagst, wie dein Name ist, können wir Freunde werden.«
Der Drache schüttelte den Kopf. Sie verstand mich.
»Na schön, wenn du mich brauchst, weißt du, wo du mich findest.« Ich gab es auf. So fand ich keine Frau. Schon gar nicht, wenn sie mit einem hölzernen, schwimmenden Drachen spielte.
Das Zimmer von Mike Eppstein sah ordentlich aus. Die Kleider hingen an ihrem Platz. Die Wäsche ordentlich im einzigen Schrank gestapelt. Das Bett war gemacht. Nur das Rasierzeug fehlte. Es sah etwas weniger chaotisch als bei Klaus Schikowski aus. Und diesen Raum wies mir Brian zu? Was hatte er vor?
Dass er ahnte, sein Sohn könnte noch leben? Na ja. Jeder Vater, jede Mutter hatte schon irgendwo und irgendwann eine solche Ahnung gehabt. Ich würde mich wahrscheinlich auch als Vater an eine solche Hoffnung klammern. Aber Brian?
Nach der Ausweiskontrolle hatte sich der Militärpolizist etwas seltsam verhalten. Zu seltsam für meinen Geschmack. Er hatte kurz salutiert und dann im Jeep gewartet, bis Brian eingestiegen war. So, als habe sich der Polizist dafür entschuldigt, dass er einen wesentlich Ranghöheren nicht sofort erkannt hatte.
Es war mir peinlich. Aber wenn ich hier schlafen sollte, wollte ich die Ordnung in diesem Zimmer studieren. Wie jede Ordnung hatte sie ein System. Und die zu stören, war mir von Kindesbeinen an ausgetrieben worden. Aber jede Ordnung trug eine Handschrift dessen, der sie ordnete. Eine Zwickmühle der Geschlechter. Aber unumgänglich. Der Stärkere setzte sich durch. Wer war die Ordnungsmacht in diesem Raum? Dass die Konkubinen im Hotel die Federführung hatten, hatte mir Klaus mit seiner Chinesin Chi schnell begreiflich gemacht.
»Wohnst du hier?«
Die Wasserpuppenspielerin stand mit ihrem tropfenden, einen halben Meter großen Drachen plötzlich im Raum. Sie sprach Französisch. Sie war höchstens drei Drachen groß. Aber sie lächelte.
»Ich weiß noch nicht ...«, murmelte ich. »Was machst du denn hier? Ich denke du kannst nicht sprechen und hören.«
Sie lächelte noch mehr. Ein schönes, gewinnendes Lächeln. Sie setzte den Drachen auf den Boden und ordnete die Führungsfäden sorgsam nach ihrer Bedeutung. So, wie ein Puppenspieler seine Figuren für die nächste Aufführung vorbereitete. Da durfte es auch keine verknoteten Fäden geben.
»Du brauchst in diesem Hotel Hilfe, sonst kannst du nicht baden. Ich brauche Hilfe, sonst kann ich meine Eltern nicht ernähren. Du hast es mir doch angeboten.
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