Salai und Leonardo da Vinci 01 - Die Zweifel des Salai
Brunnen hinabgestiegen, und weil sie Laternen dabei haben kommen sie schnell voran, und schließlich gelangen sie an das Ufer eines riesengroßen Sees von dem viele Kanäle abgehn, und der See erstreckt sich unter einer sehr hohen Kuppel, und so haben sie rausgefunden dass die Legende wahr ist und mitnichten ein dummer Scherz. Aber dann sehen sie dass in der Mitte des Sees ein Schiff liegt mit sonderbaren Männern und Frauen darauf die ein blasses Licht verbreiten, und sie scheinen wirkliche Gespenster zu sein und jagen ihnen eine Mordsangst ein. Und plötzlich kommt das Schiff auf die beiden zugefahren, und die leuchtenden Wesen machen ein Geräusch wie ein sehr lautes Zischen und die beiden Jungen die sich so mutig dünkten fliehen schneller als der Blitz die Treppe vom Brunnen hinauf, und aus Angst haben sie niemandem je was erzählt. Erst auf dem Totenbett hat einer der beiden seinen Verwandten alles gebeichtet, und darum kennt man das Geheimnis des Sees noch heute. Auf jeden Fall ist’s sonnenklar, Signior Padrone, dass unter dem Münster von Straßburg der Eingang zur Hölle ist.
Da hab ich der Dienstmagd gesagt, Himmelherrgott, was für eine Angst hast du mir mit dieser Geschichte gemacht, die berichtet dass unter der Katedrale von Straßburg der Eingang zur Hölle liegt, und darum ist das Schiff natürlich der Nachen von Karron oder wie zum Henker dieser alte Fährmann heißt der die Seelen von den Bösewichtern und Sündern und Teuffeln zur Hölle rüberfährt, und hinterher kriegt er von ihnen gehörig eins übergebraten. Ich hab ein Kreuzzeichen geschlagen, weil das verscheucht den Teuffel und auch den bösen Blick. Die Magd sagt, wenn du wüsstest wie man mir die Geschichte erzählt hat, da war sie noch voll mit grässlichen Einzelheiten die ich jetzt vergessen hab, aber damals haben mir die Beine gezittert vor Angst, jedenfalls gibt’s auch hier in der Gegend einen sehr bösen Ort der heißt die Tote Stadt und man sagt dass die Teutschen oft dahingehn. Wie sieht sie denn aus diese Tote Stadt? Sie antwortet, ich schwör dir dass ich’s nicht weiß, ich hab nur gehört dass es hier eine Stadt oder ein Dorf gibt wo niemand lebt und ist wie ein Geisterort, aber ich bin da natürlich noch nie gewesen, ich bin ja nicht verrückt, und jetzt bitt ich dich, frag mich nichts mehr, wo ich sowieso schon viel zu viel Angst hab wegen dem was passirt ist. Da haben wir uns unter der Decke ganz fest umarmt aus Angst vor dem Teuffel, und weil wir sowieso schon nackt warn wie zwei Lämmchen hab ichs der Magd noch ein paar mal besorgt um sie zu trösten, und zuletzt haben wir aus Angst vor dem Teuffel ein paar Dutzend Avemaria gebetet, und als wir endlich totmüde eingeschlafen sind war’s fast schon Morgen, und mein letzter Gedanke ging zu Lionardo diesem Schwachkopf, wo der bloß stecken mag. Doch kurz darauf sind wir wieder aufgewacht weil wir Angst hatten Dorothea könnte merken dass ich aus ihrem Zimmer gegangen, und ich wusste verdammt nochmal nicht was ich tun sollt und hab das Morgengrauen abgewartet bis wir endlich hören dass die Teutschen wegreiten, und erst in dem Moment bin ich ins Zimmer von Dorothea zurück die zum Glück schlief und jetzt noch immer schläft dieweil ich schreib, gottseidank, sowas nennt man Schwein.
Euer fleißiger Diener
Salaì
39.
Mein gütigster Padrone,
wann ich aufwach seh ich dass ich alleine bin, von Dorothea keine Spur, also wird sie bei den Bauern sein, denk ich. Ich spring aus dem Bett und lauf sofort zur Holzhütte, weil vielleicht find ich ja irgendwas was von der Versammlung gestern Abend übriggeblieben. Aber in der Hütte gibt’s nichts Interessantes, die Bücher stehn alle an ihrem Platz, ebenso der Tisch und die Stühle etcetera. Grad will ich gehn da fällt mir ein wie einer der Männer gestern Argentina gesagt, und mir kommt eine Ahnung, also schlag ich eins der Bücher von Dorotheas Vater auf und hab was ich gesucht direkt vor Augen, nemlich dies hier:
BOETHIUS
DE CONSOLATIONE PHILOSOPHIAE
Argentinae 1491
Zur Sicherheit schlag ich ein andres Buch auf:
BIBLIA
CUM CONCORDANTIIS VETERIS ET NOVI TESTAMENTI
SANCTUS HIERONIMUS INTERPRES BIBLIE
Argentinae 1497
Ihr, Signior Padrone, Ihr seid ja nicht so ungebildet als wie Salaì, drum habt Ihr gewiss schon alles durchschaut, nemlich das Wort Argentina das haben die Männer von gestern Abend, also Angelo Toefl und der Vater von Dorothea und die andern, von der ersten Seite eines der Bücher abgelesen, die
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