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Salambo

Salambo

Titel: Salambo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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den warmen Sand lief. Auf hohen Steinblöcken saßen reglose Raben und schauten nach den Sterbenden.
    Als die Nacht herabgesunken war, kamen gelbhaarige Hunde, Bastarde, wie sie gewöhnlich den Heeren nachzulaufen pflegten, zu den Barbaren herangeschlichen. Zuerst leckten sie das geronnene Blut von den noch warmen Gliederstümpfen, doch bald begannen sie die Toten zu verzehren, indem sie zuerst die Bäuche aufrissen.
    Die Flüchtlinge erschienen wieder, einer nach dem anderen, wie Schatten. Auch die Weiber wagten sich zurück, denn es waren noch immer welche übrig, besonders libysche, trotz des furchtbaren Blutbades, das die Numidier unter ihnen angerichtet hatten.
    Etliche nahmen Taustücke und zündeten sie an, um sie als Fackeln zu benutzen. Andere hielten gekreuzte Lanzen. Man legte die Toten darauf und trug sie beiseite.
    Sie lagen in langen Reihen offenen Mundes auf dem Rücken, ihre Lanzen neben sich, oder in Haufen übereinander. Wenn man einen Vermissten finden wollte, musste man oft einen ganzen Leichenhügel durchwühlen. Dabei fuhr man ihnen mit den Fackeln langsam über das Gesicht. Alle die grässlichen Waffen hatten ihnen die verschiedenartig­sten Wunden beigebracht. Manchen hingen grünliche Hautlappen von der Stirn. Andere waren in Stücke zerhackt oder bis aufs Knochenmark zerquetscht, blau vom Würgetod oder von den Stoßzähnen der Elefanten der Länge nach aufgeschlitzt. Obwohl alle fast zur selben Zeit den Tod gefunden hatten, zeigten sich Unterschiede in der Zersetzung der Leichen. Die Nordländer sahen bleigrau aus und waren aufgedunsen, während die sehnigen Afrikaner wie geräuchert erschienen und bereits vertrockneten. Die Söldner erkannte man an der Tätowierung ihrer Hände. Die alten Krieger des Antiochus trugen einen Sperber eingebrannt. Wer in Ägypten gedient hatte, einen Affenkopf. Wer im Sold asiatischer Fürsten gestanden hatte, ein Beil, einen Granatapfel oder einen Hammer. Die Söldner der griechischen Republiken hatten das Bild einer Burg oder den Namen eines Archonten eingeritzt. Bei manchen waren die Arme von oben bis unten mit diesen vielfachen Zeichen bedeckt, die sich mit alten Narben und neuen Wunden vermischten.
    Für die Toten lateinischer Abkunft, die Samniter, Etrusker, Kampaner und Bruttier, errichtete man vier große Scheiterhaufen.
    Die Griechen hoben mit der Spitze ihrer Schwerter Gruben aus. Die Spartaner nahmen ihre roten Mäntel und hüllten die Toten hinein. Die Athener legten sie mit dem Gesicht nach der aufgehenden Sonne. Die Kantabrer begruben die ihren unter Haufen von Feldsteinen. Die Nasamonen knickten sie zusammen und umschnürten sie mit Riemen aus Rindsleder, und die Garamanten bestatteten sie am Meeresstrand, damit die Fluten sie beständig benetzten. Die Lateiner waren untröstlich, dass sie die Asche nicht in Urnen sammeln konnten. Die Nomaden vermissten den heißen Sand, in dem ihre Toten zu Mumien wurden, und die Kelten ihre üblichen drei unbehauenen Steinblöcke, den regnerischen Himmel ihrer Heimat und den Blick auf eine Bucht voll kleiner Inseln.
    Lautes Gejammer erscholl, dann folgte lange Stille. Das geschah, um die Seelen zur Rückkehr zu zwingen. Nach regelmäßigen Pausen begann das Geschrei wieder.
    Man entschuldigte sich bei den Toten, dass man sie nicht ehren könne, wie die Bräuche es verlangten, denn ohne die frommen Zeremonien mussten sie unendliche Zeiträume hindurch unter allerlei Schicksalen und Verwandlungen umherirren. Man rief sie an. Man fragte sie nach ihren Wünschen. Andere überhäuften sie mit Schmähungen, weil sie sich hatten besiegen lassen.
    Der Feuerschein der großen Scheiterhaufen ließ die blutleeren Gesichter, die hie und da an zerbrochenen Rüstungen lehnten, noch bleicher erscheinen. Tränen riefen neue Tränen hervor. Das Schluchzen wurde heftiger, die Erkennungsszenen und letzten Umarmungen wilder. Weiber warfen sich Mund an Mund, Stirn an Stirn auf die Toten. Man musste sie mit Schlägen wegtreiben, wenn man die Gräber zuschaufelte. Man schwärzte sich die Wangen, schnitt sich das Haar ab, riss sich selber Wunden und ließ das Blut in die Gräber fließen. Oder man brachte sich Schnitte bei, Abbilder der Wunden, die geliebte Tote entstellten. Wehgeschrei durchtönte den Klang der Zimbeln. Manche rissen sich ihre Amulette ab und spien sie an. Sterbende krümmten sich in

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