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Salambo

Salambo

Titel: Salambo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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zurückgeholt hatte. Sie sahen Salambo von ferne oder glaubten sie zu sehen. Von neuem ertönten Rufe, Schreie der Wut und der Rache, dem Jubel der Karthager zum Trotz. So stampften und brüllten fünf Heere aus ihren an den Hängen gestaffelten Stellungen.
    Keines Wortes mächtig, dankte Hamilkar mit einem Nicken des Hauptes. Seine Augen richteten sich bald auf den Zaimph, bald auf seine Tochter. Da bemerkte er, dass ihre Fußkette zerrissen war. Er schauderte zusammen, von furchtbarem Argwohn gepackt. Doch rasch nahm er seine gleichgültige Miene wieder an und blickte Naravas, ohne den Kopf zu wenden, von der Seite an.
    Der Numidierfürst war in bescheidener Haltung zurückgetreten. Auf seiner Stirn lag noch etwas von dem Staube, den er beim Niederfallen berührt hatte.
    Nach einer Weile trat der Marschall auf ihn zu und sagte in feierlicher Weise: „Zum Lohn für die Dienste, die du mir geleistet hast, Naravas, gebe ich dir meine Tochter zum Weib! Sei mir Sohn und Bundesgenosse!“
    Mit einer Gebärde der größten Überraschung, beugte sich Naravas über Hamilkars Hände und bedeckte sie mit Küssen.
    Salambo stand unbeweglich wie eine Bildsäule da. Sie tat, als verstünde sie den Vorgang nicht. Sie errötete aber leicht und schlug die Augen nieder. Und ihre langen geschweiften Wimpern warfen Schatten über ihre Wangen.
    Hamilkar ließ auf der Stelle die Zeremonie des unlösbaren Verlöbnisses vollziehen. Man legte Salambo eine Lanze in die Hand, die sie Naravas reichte. Dann band man die Daumen der Verlobten mit einem Riemen aus Rindsleder zusammen und streute ihnen Korn auf die Häupter, das um sie her niederfiel und wieder aufsprang wie Hagelschlag.
    ***

Kapitel 12
    Das Aquädukt
    Zwölf Stunden später war von den Söldnern nur noch ein Haufen Verwundeter, Toter und Sterbender übrig.
    Hamilkar war mit aller Gewalt aus dem Bergkessel hervorgebrochen, und zwar gegen den westlichen Abhang, der nach Hippo-Diarrhyt zu lag, in der Absicht, die Barbaren dahin zu locken, da dort mehr Raum war. Naravas hatte dann die gegnerischen Linien mit seiner Reiterei umgangen und von rückwärts attackiert, während der Marschall sie in der Front zum Wanken brachte und vernichtete. Übrigens waren sie durch den Verlust des Zaimphs schon im voraus geschlagen. Selbst die, die sich nie um ihn gekümmert hatten, ergriff ein Bangen und eine Art Entkräftung.
    Hamilkar hatte sich nach seinem Siege auf die Höhen etwas nördlicher zurückgezogen, von wo aus er den Feind in Schach hielt.
    Man erkannte die Grundrisse der Lager nur noch an den umgerissenen Pfählen. Ein langer schwarzer Aschenhaufen qualmte an der Stelle, wo das libysche Lager gestanden hatte. Der Boden hatte wellenförmige Erhebungen wie das Meer, und die Zelte mit ihrer zerfetzten Leinwand hatten gewisse Ähnlichkeit mit zwischen Klippen gescheiterten und halb gesunkenen Schiffen. Lanzen, Heugabeln, Trompeten, Holz, Erz und Eisen, Getreide, Stroh und Kleidungsstücke lagen zwischen den Leichen herum. Hie und da glimmte ein verlöschender Brandpfeil neben einem Haufen von Gepäck. An manchen Stellen war der Boden mit weggeworfenen Schilden völlig bedeckt. Die Pferdekadaver sahen aus wie lange Reihen kleiner Hügel. Man erblickte Beine, Sandalen, Arme, Panzerhemden und Köpfe, auf denen durch die Schuppenketten der Helm noch fest saß und die wie Kugeln hinrollten. An den Dornsträuchern hingen Haare. Elefanten mit heraushängender Eingeweide, ihre Türme noch auf dem Rücken, lagen röchelnd in großen Blutlachen. Überall trat man auf schlüpfrige Gegenstände und, obgleich es nicht geregnet hatte, in große Schlammpfützen.
    Die Leichen bedeckten den Berghang von oben bis unten. Die Überlebenden rührten sich ebenso wenig wie die Toten. In großen und kleinen Gruppen herumhockend, blickten sie einander verstört an und sprachen kein Wort.
    Jenseits der weiten Ebene blitzte der See von Hippo-Diarrhyt in der untergehenden Sonne. Rechts davon ragten enggedrängte weiße Häuser über einen Mauergürtel hinweg. Dahinter dehnte sich endlos das Meer. Das Kinn in die Hand gestützt, gedachten die Barbaren seufzend ihrer Heimat. Eine graue Staubwolke sank herab.
    Der Abendwind begann zu wehen. Die Menschen atmeten auf. Es wurde kühler. Man konnte beobachten, wie das Ungeziefer die erkaltenden Toten verließ und über

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