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Salambo

Salambo

Titel: Salambo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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Tempeldiener wagten sich nicht mehr an sie heran. Man fütterte sie anfangs mit verwundeten Barbaren. Dann warf man ihnen Tote vor, die noch warm waren. Aber die Bestien verschmähten sie, und so starben sie alle.
    In der Dämmerung irrten Leute längs der alten Mauern zwischen der Altstadt und Megara hin und pflückten zwischen den Steinen Kräuter und Blumen, die sie in Wein kochten. Wein war billiger als Wasser geworden. Andere schlichen sich bis zu den feindlichen Vorposten und drangen in die Zelte, um Nahrungsmittel zu stehlen. Die Barbaren waren darüber so verblüfft, dass sie die Dreisten bisweilen entkommen ließen. Endlich kam der Tag, an dem die Alten beschlossen, die Pferde Eschmuns heimlich zu schlachten. Das waren heilige Tiere, deren Mähnen die Priester mit goldenen Bändern durchflochten. Sie versinnbildlichten die Bewegung der Sonne, die Idee des Feuers in seiner höchsten Gestalt. Ihr Fleisch wurde in gleich große Stücke zerlegt und hinter dem Altar vergraben. Fortan kamen die Alten, irgendeine Andacht vorschützend, allabendlich zum Tempel hinauf und sättigten sich verstohlen. Auch nahmen sie unter ihrem Gewand Stücke für ihre Kinder mit. In den einsamen Stadtvierteln, die weit von den Mauern entfernt lagen, hatten sich die weniger Notleidenden aus Furcht vor den anderen verrammelt.
    Die Steine der feindlichen Geschütze und die Zerstörungen, die zur Verteidigung der Stadt angeordnet worden waren, hatten die Straßen mit Schutt und Trümmern erfüllt. In den ruhigeren Stunden zogen oft schreiende Volksmassen durch. Von der Höhe der Burg betrachtet, sahen die Feuersbrünste wie hie und da auf die flachen Dächer geworfene Purpurtücher aus, die im Wind zu flattern schienen.
    Trotz aller anderen Arbeiten ruhten die drei schwersten Geschütze der Belagerer nicht. Die Verheerungen, die sie anrichteten, waren außerordentlich. So wurde der Kopf eines Mannes bis an den Giebel der Syssitien geschleudert. In der Kinisdostraße wurde eine Wöchnerin von einem herab fallenden Marmorblock zerschmettert und ihr Kind mitsamt dem Tragekissen bis zum Kinasyner Schlag geworfen, wo man die Decke wiederfand.
    Am unangenehmsten aber waren die Schleuderkugeln. Sie fielen auf die Dächer, in die Gärten und in die Höfe, während man ängstlich beim kargen Mahl saß. Die furchtbaren Geschosse trugen eingeritzte Buchstaben, die sich in das Fleisch eindrückten. So konnte man auf der Haut von Toten Schimpfworte lesen wie: „Schwein!“ „Raubtier!“ „Dreck!“ oder Spöttereien wie: „Fang mich!“
    In den Teil des Walles, der vor den Zisternen lag, wurden Breschen geschlagen. Dadurch sahen sich die Bewohner von Malka zwischen der alten Mauer, die Megara von der Altstadt trennte, zur Rechten, den Mauern des Burgbezirkes im Rücken und den Barbaren von vorn eingekeilt. Doch man hatte genug zu tun, die Innenmauer am Burgberg instand zu setzen und sie so hoch wie möglich zu machen. Man konnte sich nicht um arme Leute kümmern und ließ sie im Stich. Sie kamen alle um. Obgleich sie allgemein verhasst waren, erregte das doch einen großen Abscheu gegen Hamilkar.
    Am Tage darauf öffnete er die Keller, in denen er sein Getreide aufbewahrte. Seine Verwalter verteilten es unter das Volk. Drei Tage lang stopfte man sich damit voll.
    Der Durst wurde nun erst recht unerträglich. Dabei hatte man immerfort die große Kaskade vor Augen, in der das klare Wasser der zerstörten Leitung herab plätscherte. Wenn die Sonne ihre Strahlen darauf warf, umhüllte ein feiner Nebel den Wasserfall, und ein Regenbogen schwang sich darüber. Ein kleiner Bach aber schlängelte sich durch die Ebene und ergoss sich in das Haff.
    Hamilkar verlor den Mut nicht. Er rechnete auf ein Ereignis, auf etwas Entscheidendes, auf ein Wunder. Seine Sklaven rissen die silbernen Platten vom Melkarth-Tempel. Im Hafen zog man vier große Transportschiffe ans Land, schaffte sie auf Walzen bis an das Ende der Straße der Mappalier und durchbrach dort die Mauer zwischen Straße und Meer. Die Schiffe gingen von da aus nach Gallien in See, um dort zu jedem Preis Söldner anzuwerben. Hamilkar war noch immer zu seinem großen Ärger vom Numidierfürsten abgeschnitten, obwohl er wusste, dass Naravas hinter den Barbaren stand, bereit, ihnen in den Rücken zu fallen. Naravas war aber allein zu schwach und konnte keinen

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