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Salambo

Salambo

Titel: Salambo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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Mensch, der ohne Furcht mit ihm gesprochen hätte.
    Oft kam ihr Vater in ihr Gemach. Er setzte sich tief atmend auf die Kissen und betrachtete sie mit fast zärtlicher Miene, als fände er in ihrem Anblick eine Erholung von seinen Mühsalen. Mehrfach forschte er sie über ihre Reise in das Lager der Söldner aus. Er fragte sogar einmal, ob sie nicht doch von jemandem dazu angestiftet worden sei. Sie verneinte es durch eine Kopfbewegung. Salambo war stolz darauf, den heiligen Mantel gerettet zu haben. Immer wieder kam der Sufet unter dem Vorwand, militärische Dinge zu erkunden, auf Matho zurück. Insgeheim begriff er nicht, wozu sie so lange Zeit in seinem Zelt gewesen war. Auch von Gisco erzählte Salambo nichts, denn da – nach ihrem Glauben – schon bloße Worte eine wirkliche Macht besitzen, so konnten Verwünschungen, die man jemandem berichtete, sich gegen ihn kehren. Ebenso verschwieg sie ihr Mordlust, aus Furcht, getadelt zu werden, weil sie ihr nicht nachgegeben hatte. Sie berichtete nur, der Schalischim sei sichtlich zornig gewesen und habe sehr laut gesprochen, dann sei er eingeschlafen. Mehr erzählte Salambo nicht, vielleicht aus Scham, vielleicht auch, weil sie in ihrer großen Unschuld den Küssen und Liebkosungen des Soldaten keine Bedeutung beimaß. Überdies flossen alle jene Vorgänge in ihrem Kopfe wehmütig und wirr durcheinander wie die Erinnerung an einen schweren Traum. Sie hätte nicht gewusst, auf welche Weise und mit welchen Worten sie alles hätte ausdrücken sollen.
    Eines Abends, als sie so einander gegenübersaßen, trat Taanach ganz bestürzt ein. Ein Greis mit einem Kind sei unten im Hofe und wolle den Sufeten sprechen.
    Hamilkar erbleichte. Dann erwiderte er rasch: „Er soll heraufkommen!“
    Iddibal trat ein, ohne sich niederzuwerfen. Er führte einen Knaben an der Hand, der in einen Mantel aus Bocksfell gehüllt war. Er zog rasch die Kapuze zurück, die das Gesicht des Knaben verhüllte, und sagte: „Da ist er, Herr! Nimm ihn!“
    Der Sufet und der Sklave zogen sich in eine Ecke des Gemachs zurück.
    Das Kind war in der Mitte des Gemachs aufrecht stehen geblieben und musterte mit einem mehr neugierigen als erstaunten Blick die Zimmerdecke, das Hausgerät, die Perlenschnüre auf den Purpurvorhängen und das hoheitsvolle junge Weib, das sich zu ihm herabbeugte.
    Er war etwa zehn Jahre alt und nicht größer als ein Römerschwert. Krause Haare beschatteten seine gewölbte Stirn. Seine Augen sahen mit Vorliebe in die Ferne. Die feinen Nasenflügel vibrierten. Über seiner ganzen Erscheinung lag ein geheimnisvoller Schimmer, wie ihn die haben, die zu großen Taten vorbestimmt sind. Als er seinen schweren Mantel abgeworfen hatte, stand er in einem Luchsfell da, das seine Hüften umkleidete, und stampfte mit seinen kleinen bloßen Füßen, die weiß vom Staub waren, fest auf die Fliesen. Offenbar erriet er, dass man wichtige Dinge verhandelte, denn er blieb unbeweglich stehen, eine Hand auf dem Rücken und den Kopf gesenkt, einen Finger im Mund.
    Endlich winkte Hamilkar Salambo zu sich und sagte leise zu ihr: „Du wirst ihn bei dir behalten, verstehst du? Niemand, auch keiner im Haus, darf von seinem Dasein wissen!“
    Hinter der Tür fragte er Iddibal noch einmal, ob er sicher sei, dass ihn niemand mit dem Knaben erblickt habe.
    â€žSicherlich niemand!“ versetzte der Sklave. „Die Straßen waren leer.“
    Da sich der Krieg über alle Provinzen ausdehnte, hatte Iddibal um den Sohn seines Herrn Angst bekommen, und da er nicht wusste, wo er ihn verbergen sollte, war er in einem Boot an der Küste entlang gefahren. Drei Tage lang hatte er im Golf gekreuzt und die Wälle beobachtet. Endlich, an diesem Abend, da die Umgebung des Khamon-Tempels menschenleer war, hatte er die Durchfahrt schnell passiert und war am Arsenal gelandet. Der Hafeneingang war noch frei. Nicht viel später freilich legten die Barbaren ein riesiges Floß davor, um den Karthagern die Ausfahrt zu sperren. Außerdem errichteten sie hölzerne Türme. Gleichzeitig wuchs auch der Erdwall empor.
    Die Verbindung nach außen war nunmehr abgeschnitten, und eine unerträgliche Hungersnot begann.
    Man schlachtete alle Hunde, Maultiere und Esel, dann auch die fünfzehn Elefanten, die der Sufet zurückgebracht hatte. Die Löwen des Moloch-Tempels waren toll geworden, und die

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