Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Salambo

Salambo

Titel: Salambo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
Vom Netzwerk:
der Tod war es, den sie fürchteten, sondern der furchtbare Zwang, der ihnen angetan wurde.
    Die Kameradschaft hatte manchen engen Bund zwischen den Söldnern geschaffen. Das Feldlager ersetzte den meisten die Heimat. Da sie ohne Familie lebten, widmeten sie ihr Zärtlichkeitsbedürfnis einem Waffengefährten, mit dem sie Seite an Seite, unter demselben Mantel, im Sternenlicht schliefen. Auch waren bei dem beständigen Wandern durch aller Herren Länder, den gemeinsamen Todesgefahren und Abenteuern seltsame Liebschaften entstanden, unzüchtige Verbindungen, ihnen ebenso ernsthaft wie anderen Leuten die Ehe, kraft deren der Stärkere den Jüngeren im Mordgewühl verteidigte, ihm beim Sprung über Abgründe half, ihm den Fieberschweiß von der Stirn trocknete und Nahrung für ihn stahl, während der andere, ein am Straßenrand aufgelesener Bursche, der dann Soldat geworden war, ihm diese Hingabe mit tausend zarten Aufmerksamkeiten und den Gefälligkeiten einer Gattin vergalt.
    Sie tauschten ihre Halsketten und Ohrgehänge aus, Geschenke, die sie sich einst nach irgendeiner großen Gefahr, in trunkenen Stunden gemacht hatten. Alle verlangten den Tod, keiner wollte ihn geben. Es war da manch ein Jüngling, der zu einem graubärtigen Mann sagte: „Nein, nein, du bist der Stärkere! Du wirst uns rächen! Töte mich!“ Und der alte Landsknecht erwiderte: „Ich habe nicht lange mehr zu leben! Stoß mir ins Herz und denk nicht mehr daran!“ Brüder blickten sich Hand in Hand an, und Liebende sagten ihren Geliebten auf ewig Lebewohl, indem sie weinend an ihren Schultern hingen.
    Man warf die Panzer ab, damit die Schwerter rascher durchdringen konnten. Da kamen wie Inschriften an Denkmälern die Narben der schweren Wunden zum Vorschein, die sie für Karthago empfangen hatten.
    Man ordnete sich in vier gleich großen Reihen nach Gladiatorenart und begann zaghaft gegeneinander zu fechten. Manche hatten sich sogar die Augen verbunden, und ihre Schwerter tappten unsicher durch die Luft wie der Stock eines Blinden.
    Die Karthager stießen ein Hohngeschrei aus und schimpften: „Feiglinge!“ Das regte die Barbaren auf, und bald wurde der Kampf allgemein, leidenschaftlich und furchtbar.
    Bisweilen hielt ein Kämpferpaar blutüberströmt inne, sank einander in die Arme und starb unter Küssen. Keiner wich zurück. Man stürzte in gezückte Klingen. Die Raserei wurde so wild, dass die Karthager trotz der Entfernung Angst bekamen.
    Endlich kam der Kampf zu einem Ende. Die Lungen keuchten laut, und man erkannte wilde Augen zwischen langem, wirrem Haar, das blutig herabhing, als wäre es einem Purpurbad entstiegen. Manche drehten sich rasch um sich selbst wie Panther, die an der Stirn verletzt sind. Andere standen unbeweglich und starrten auf einen Leichnam zu ihren Füßen. Dann zerrissen sie sich plötzlich das Gesicht mit den Fingernägeln, packten ihr Schwert mit beiden Händen und stießen es sich in den eigenen Leib.
    Sechzig waren noch übrig. Sie verlangten zu trinken. Man rief ihnen zu, sie sollten die Schwerter wegwerfen. Nachdem sie das getan, brachte man ihnen Wasser.
    Während sie tranken und das Gesicht tief in die Gefäße drückten, sprangen sechzig Karthager hinterrücks auf sie zu und erdolchten sie.
    Hamilkar ließ dies alles geschehen, um den Gelüsten seines Heeres nachzukommen und es durch diesen Verrat an seine Person zu fesseln.
    *
    Der Krieg war somit beendet. Wenigstens glaubte man es. Matho würde keinen Widerstand leisten! In seiner Ungeduld befahl der Sufet sofort den Abmarsch. Seine Aufklärer meldeten ihm, sie hätten einen Wagenzug gesehen, der den Weg nach dem Bleiberg verfolge. Hamilkar kümmerte sich nicht darum. Waren erst die Söldner völlig vernichtet, so sollten ihm die Nomaden keine Sorge mehr machen. Die Hauptsache war jetzt die Einnahme von Tunis. In langen Tagesmärschen eilte er dorthin.
    Er sandte Naravas nach Karthago, um die Siegeskunde zu überbringen. Stolz auf seine Erfolge, trat der Numidierfürst vor Salambo.
    Auf einem gelben Lederkissen ruhend, empfing sie ihn in ihren Gärten unter einer breitästigen Sykomore. Taanach stand neben ihr. Salambos Gesicht war mit einem weißen Schleier bedeckt, der ihr so über Mund und Stirn gewunden war, dass er nur die Augen frei ließ. Aber ihre Lippen leuchteten unter dem zarten Gewebe, ebenso

Weitere Kostenlose Bücher