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Salambo

Salambo

Titel: Salambo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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die Edelsteine an ihren Fingern, denn sie trug auch ihre Hände verhüllt. Während des ganzen Gespräches machte sie nicht eine Gebärde.
    Naravas berichtete ihr von der Niederlage der Barbaren. Sie dankte ihm mit einem Segensspruch für die ihrem Vater geleisteten Dienste. Darauf begann er den ganzen Feldzug zu erzählen.
    Die Tauben in den Palmen um sie herum girrten leise. Haubenlerchen, Wachteln und punische Perlhühner hüpften im Gras. Der Garten war seit langem vernachlässigt und verwildert. Koloquinten kletterten in die Zweige der Kassien empor. Asklepien wucherten in den Rosenbeeten. Allerlei Gewächse rankten sich durcheinander und formten Lauben. Wie in einem Walde malten die schrägen Sonnenstrahlen da und dort die Schatten der Blätter auf die Erde. Zahme Tiere, die wieder verwildert waren, flohen beim leisesten Geräusch. Bisweilen erblickte man eine Gazelle, an deren zierlichen schwarzen Hufen verlorene Pfauenfedern hingen. Der ferne Lärm der Stadt ertrank im Rauschen der Meereswogen. Der Himmel war tiefblau. Kein Segel leuchtete auf den Fluten.
    Naravas Erzählungen waren beendet. Salambo blickte ihn an, ohne zu sprechen. Er trug ein mit Blumen bemaltes Leinengewand mit goldenen Fransen am Saum. Zwei silberne Pfeile hielten sein über den Ohren geflochtenes Haar zusammen. Mit der Rechten lehnte er sich auf den Schaft seiner Lanze, der mit Bernsteinringen und Tierhaarbüscheln geschmückt war.
    Während Salambo ihn so betrachtete, versank sie tiefer und tiefer in fliegende Gedanken. Der Jüngling mit seiner sanften Stimme und seiner frauenhaften Gestalt bezauberte ihre Augen durch die Anmut seiner Erscheinung. Er erschien ihr wie eine ältere Schwester, von den Göttern zu ihrem Schutz gesandt. Da aber überkam sie die Erinnerung an Matho, und sie konnte der Neugier nicht widerstehen, nach dem künftigen Schicksal des Libyers zu fragen.
    Naravas antwortete ihr, dass die Karthager auf Tunis marschierten, um es zu erobern. Je ausführlicher er über die Wahrscheinlichkeit des Gelingens und über Mathos Schwäche sprach, desto mehr schien sie von einem ganz besonderen Wunsch erfüllt. Ihre Lippen bebten, ihre Brust atmete tief. Als Naravas endlich versprach, ihn mit eigener Hand zu töten, rief sie:
    â€žJa! Töte ihn! Es muss sein!“
    Der Numidier entgegnete, auch er wünsche Mathos Tod leidenschaftlich, da der Krieg dann beendet sei und er ihr Gemahl werde.
    Salambo schrak zusammen und ließ den Kopf sinken.
    Naravas aber fuhr fort und verglich seine Wünsche mit Blumen, die nach dem Regen dürsten, und mit verirrten Wanderern, die des Tages harren. Er sagte ihr, sie sei schöner als der Mond, köstlicher als der Morgenwind und holder als das Antlitz eines Gastes. Er wolle Dinge für sie aus dem Negerland kommen lassen, die es in Karthago nicht gäbe, und die Gemächer ihres Palastes sollten mit Goldstaub bestreut werden.
    Der Abend nahte. Balsamische Düfte durchwehten die Luft. Die beiden blickten einander lange schweigend an, und Salambos Augen blitzten zwischen ihren breiten Schleiern wie zwei Sterne aus einem Wolkenspalt. Ehe die Sonne verschwand, verabschiedete sich Naravas.
    Die Alten fühlten sich von einer großen Sorge befreit, als Naravas Karthago wieder verließ. Das Volk hatte ihm mit noch größerer Begeisterung zugejauchzt, als bei seinem ersten Kommen. Wenn Hamilkar und der Numidierfürst allein über die Söldner triumphierten, so war jeder Widerstand gegen die beiden unmöglich! Daher beschlossen die Gerusiasten, ihren Liebling, den alten Hanno, an der Rettung der Republik teilnehmen zu lassen.
    Hanno begab sich unverzüglich nach den westlichen Provinzen, damit die Orte, die seine Schmach erlebt hatten, auch seine Rache sähen. Doch die Einwohner und die Barbaren waren tot, versteckt oder entflohen. Nun ließ er seine Wut an dem Land aus. Er verbrannte die Trümmer, ließ keinen Baum, keinen Halm stehen, richtete die Kinder und die Kranken, die man aufgriff, unter Martern hin, und gab seinen Soldaten die Weiber preis, ehe er sie morden ließ. Die schönsten wurden in seine Sänfte geworfen, denn seine scheußliche Krankheit reizte ihn zu wilden Gelüsten, die er mit der ganzen Wut eines Verzweifelten befriedigte.
    Oft sanken auf dem Kamm der Hügel schwarze Zelte zusammen, und Scheiben mit glänzendem Rand, die man als Wagenräder erkannte, rollten

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