Salambo
kein Ãl, kein Eingesalztes mehr, kein Korn Gerste für die Pferde. Man sah sie den abgemagerten Hals niederbeugen und im Staub nach zertretenen Strohhalmen suchen. Oft bemerkten die auf dem Wall stehenden Posten beim Schein des Mondes Barbarenhunde, die vor den Verschanzungen in den Abfällen wühlten. Man tötete sie mit Steinwürfen, lieà sich mit Schildriemen an den Schanzpfählen hinunter und verzehrte die Tiere, ohne ein Wort zu reden. Manchmal jedoch erhob sich unten ein furchtbares Gebell, und der Mann kehrte nicht zurück. In der Gruppe des vierten Glieds der zwölften Kompanie erstachen sich drei Phalangisten mit Messern im Streit um eine Ratte.
Alle sehnten sich nach ihren Familien, ihren Häusern: die Armen nach ihren bienenkorbförmigen Hütten mit Muschelschalen an der Türschwelle und einem aufgehängten Netz davor, die Patrizier nach ihren geräumigen Gemächern, wo sie im Blau der Dämmerung während der heiÃen Tagesstunden zu ruhen und dem gedämpften StraÃenlärm zu lauschen pflegten, den das Blätterrauschen im Garten melodisch machte. Und um sich tiefer in solche Träumerei zu versenken und sie mehr zu genieÃen, schlossen sie die Augen, bis das Brennen der Wunden sie wieder weckte. Alle Augenblicke gab es ein Gefecht, einen Alarm. Die hölzernen Bastionen brannten. Die âEsser unreiner Speisenâ kletterten an den Pfählen herauf. Man hieb ihnen mit Beilen die Hände ab. Andere stürmten heran. Ein Geschosshagel prasselte auf die Zelte nieder. Man errichtete Gänge aus Rohrgeflecht, um sich gegen die Wurfgeschosse zu schützen. Die Karthager verbargen sich darunter und rührten sich nicht mehr.
Täglich verschwand der Sonnenschein nach den ersten Morgenstunden wieder vom Erdboden des weiten Bergkessels und lieà ihn dann im Schatten. Die Sonne blieb hinter den hohen Bergen. Auf allen Seiten stiegen die grauen Hänge empor, mit groÃen Steinen übersät, die mit spärlichem Moos gesprenkelt waren, und hoch darüber wölbte sich der ewig klare Himmel, der den Augen glatter und kälter erschien als eine Kuppel aus Stahl. Hamilkar war so ärgerlich über Karthago, dass er Lust spürte, sich den Barbaren in die Arme zu werfen und sie gegen die Stadt zu führen. Schon fingen die Trossknechte, die Marketender, die Sklaven zu murren an, und weder das Volk, noch der GroÃe Rat, noch sonst jemand sandte ein Hoffnungszeichen. Die Lage war unerträglich, zumal bei dem Gedanken, dass sie immer schlimmer werden musste.
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Bei der Kunde von diesem Missgeschick raste man in Karthago vor Zorn und Hass. Man hätte den Sufeten weniger verwünscht, hätte er sich gleich zu Anfang besiegen lassen.
Um neue Söldner anzuwerben, dazu gab es nicht genug Zeit und Geld. Wollte man aber Soldaten in der Stadt ausheben: womit sollte man sie ausrüsten? Hamilkar hatte alle Waffen mitgenommen. Und wer sollte sie befehligen? Die besten Hauptleute befanden sich ja drauÃen bei ihm! Inzwischen trafen Sendboten des Sufeten ein, die laut rufend durch die StraÃen zogen. Der GroÃe Rat geriet darüber in Aufregung und lieà sie beseitigen.
Das war eine unnötige VorsichtsmaÃnahme. Man beschuldigte den Barkiden allgemein der Saumseligkeit. Er hätte nach seinem Siege die Söldner vernichten sollen. Warum hatte er die Stämme gebrandschatzt? Hatte man nicht hinreichend schwere Opfer gebracht? Die Patrizier jammerten über die Kriegssteuern, die man persönlich sowie aus den Syssitien gezahlt hatte. Auch wer nichts gegeben hatte, klagte mit den übrigen. Das Volk war eifersüchtig auf die Neukarthager, denen Hamilkar das volle Bürgerrecht versprochen hatte. Und selbst die Ligurer, die sich so tapfer geschlagen hatten, rechnete man zu den Barbaren und verwünschte auch sie. Man warf ihnen ihre Abstammung wie ein Verbrechen, wie eine Mitschuld vor. Die Kaufleute auf den Schwellen ihrer Läden, die Arbeiter, die, ihr bleiernes Winkelmaà in der Hand, vorübergingen, die Salzlakehändler, die ihre Körbe spülten, die Badeknechte in den Bädern, die Verkäufer warmer Getränke, alle erörterten sie die Vorgänge des Feldzuges. Man zeichnete mit dem Finger Operationspläne in den Sand, und es gab keinen noch so kleinen Gassenbengel, der nicht Hamilkars Fehler zu kritisieren gewusst hätte.
Die Pfaffen predigten, das sei die Strafe für so lange
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