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Salambo

Salambo

Titel: Salambo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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Kopf. Es gab keinen Vorschlag, den er nicht für zu gefährlich erklärt hätte. Er lächelte nicht mehr. Seufzer entschlüpften ihm, als unterdrücke er den Schmerz über einen unerfüllbaren Traum, die Verzweiflung über ein verfehltes Unternehmen.
    Während die Barbaren unschlüssig hin und her berieten, verstärkte der Sufet seine Verteidigung. Er ließ innerhalb seiner Verschanzung einen zweiten Wall aufwerfen und an seinen Ecken hölzerne Bastionen errichten. Seine Sklaven wagten sich bis zu den feindlichen Vorposten, um Fußangeln auszulegen. Die Elefanten, deren Rationen vermindert worden waren, rissen an ihren Fesseln. Um Futter zu sparen, befahl der Marschall den Klinabaren, ihre schwächsten Pferde zu töten. Sie weigerten sich mehrfach. Hamilkar ließ einige der Ungehorsamen enthaupten. Dann verzehrte man die getöteten Pferde. Die Erinnerung an dies frische Fleisch rief an den folgenden Tagen große Traurigkeit hervor.
    Aus der Tiefe des Amphitheaters, in das die Karthager eingeschlossen waren, sahen sie ringsum auf den Höhen die vier Barbarenlager, die voller Bewegung waren. Weiber mit Schläuchen auf den Köpfen gingen hin und her. Blökende Ziegen grasten zwischen den Lanzenpyramiden. Die Posten wurden abgelöst. Man aß, um die Feldkessel gelagert. Die Stämme rings umher lieferten ihnen Lebensmittel in Fülle, und die Söldner ahnten selber nicht, wie nervös ihre Untätigkeit das punische Heer machte.
    Schon am zweiten Tage hatten die Karthager im Lager der Barbaren einen Haufen von etwa dreihundert Menschen bemerkt, die abgesondert blieben. Das waren die Patrizier, die seit Beginn des Krieges Gefangene waren. Die Libyer stellten sie allesamt in einer Reihe am Rand des Verteidigungsgrabens auf, traten hinter sie und schleuderten Spieße, indem sie die Leiber der Gefangenen als Deckung benutzten. Die Unglücklichen waren kaum wieder zu erkennen. Ihre Gesichter waren vor lauter Ungeziefer und Schmutz gar nicht mehr zu sehen. Das stellenweise ausgerissene Haar machte Geschwüre auf ihren Köpfen sichtbar. Dabei waren sie so abgemagert und widerlich, dass sie Mumien in zerlöcherten Leichentüchern glichen. Manche zitterten und schluchzten mit blöder Miene. Andere riefen ihren Landsleuten zu, auf die Barbaren zu schießen. Einer stand ganz unbeweglich mit gesenktem Haupt da und sprach kein Wort. Sein langer weißer Bart wallte bis hinab auf seine mit Ketten beschwerten Hände. Den Karthagern war es zumute, als ob die Republik zusammenbräche: sie erkannten in diesem Mann Gisco. Obwohl die Stelle gefährlich war, drängten sie sich heran, um ihn zu sehen. Man hatte ihm eine komische Tiara aus Flusspferdhaut mit einer Verzierung aus Kieseln aufgesetzt. Das war ein Einfall Autarits. Matho missfiel diese Verhöhnung.
    Erbittert ließ Hamilkar die Palisadenbrustwehr öffnen. Er war fest entschlossen, sich durchzuschlagen – einerlei wie. In einem wütenden Ausfall drangen die Karthager bis zur halben Höhe des Abhanges dreihundert Schritte weit hinauf. Da aber stürzte ihnen eine solche Flut von Barbaren abwärts entgegen, dass sie in ihre Verschanzung zurückgetrieben wurden. Einer von der Garde, der noch draußen war, strauchelte über einen Stein. Zarzas eilte herbei, warf ihn zu Boden, stieß ihm den Dolch in die Kehle und zog ihn wieder heraus. Dann stürzte er sich auf den Daliegenden, presste den Mund auf seine Wunde und sog, unter krampfartigen Zuckungen und wilde Jodler ausstoßend, das Blut in vollen Zügen ein. Hinterher setzte er sich ruhig auf den Leichnam, warf den Kopf hintenüber, um besser Luft zu bekommen, wie ein Hirsch, der eben an einem Bach getrunken hat, und stimmte mit schrillen Lauten ein balearisches Lied an, eine wirre Melodie voll langgezogener Töne, die öfters abbrach und sich dann wiederholte wie ein Echo in den Bergen. Er rief seine toten Brüder an und lud sie zum Fest ein. Dann nahm er seine Hände zwischen die Beine, neigte langsam den Kopf und weinte. Seine Untat entsetzte beide Seiten.
    Fortan versuchten die Karthager keinen Ausfall mehr. Ebenso wenig aber dachten sie daran, sich zu ergeben, weil sie mit einem qualvollen Tod rechnen mussten.
    Trotz Hamilkars Fürsorge nahmen die Lebensmittel erschreckend ab. Für jeden Mann blieben nur noch zehn Khomer Getreide, drei Hin Hirse und zwölf Betza getrocknete Früchte. Kein Fleisch,

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