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Salambo

Salambo

Titel: Salambo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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Gottlosigkeit. Er hätte keine Opfer gespendet, hätte seine Truppen nicht weihen lassen, ja, er hätte sich geweigert, Auguren mitzunehmen. Das Ärgernis über seine Gottlosigkeit schürte den unterdrückten starken Hass, die Wut über die enttäuschten Hoffnungen. Man erinnerte sich seines Unglücks in Sizilien. Sein Hochmut, den man so lange ertragen hatte, drückte sie nun mit einem Mal mehr denn je. Die Priesterschaften verziehen ihm nicht, dass er ihre Kassen beschlagnahmt hatte. Sie forderten dem Großen Rat das Versprechen ab, ihn kreuzigen zu lassen, wenn er jemals zurückkehre.
    Die Hitze des Monats Elul, in diesem Jahr ungewöhnlich stark, war eine weitere Plage. Vom Ufer des Haffs stiegen ekelhafte Dünste auf. In sie mischten sich die Wirbelwolken des Räucherwerks, das an den Straßenecken brannte. Unablässig hörte man gesungene Hymnen. Menschenmassen wogten auf den Treppen der Tempel. Alle Mauern waren mit schwarzen Schleiern behängt. Kerzen brannten auf der Stirn der Kabirenstandbilder, und das Blut der zum Opfer geschlachteten Kamele rann in roten Kaskaden die Tempelstufen hinab. Ein düsterer Wahnsinn hatte Karthago erfasst. Aus den engsten Gassen, den finstersten Spelunken tauchten blasse Gestalten auf, Menschen mit Schlangengesichtern, die mit den Zähnen knirschten. Schrilles Weibergekreisch erfüllte die Häuser, drang durch die Fenstergitter auf die Plätze und beunruhigte die dort plaudernden Müßiggänger. Zuweilen glaubte man, die Barbaren kämen. Man hatte sie hinter dem Berg der Heißen Wasser gesehen. Sie sollten bei Tunis lagern. Die Stimmen vervielfältigten sich, schwollen an und verschmolzen zu einem einzigen Schrei. Dann trat allgemeine Stille ein. Eine Menge Leute hockten auf den Dächern der Gebäude und spähten, die Hand über den Augen, in die Weite, während andere am Fuß der Wälle platt auf dem Boden lagen und aufmerksam lauschten. Wenn der Schreck vorüber war, dann begann die Wut von neuem. Aber das Bewusstsein ihrer Ohnmacht versenkte die Bevölkerung bald wieder in die alte Trübsal.
    Die Niedergeschlagenheit nahm mit jedem Abend zu, wenn man allgemein auf den Terrassen stand und sich neunmal verneigte und die Sonne mit lautem Rufen grüßte. Sie sank langsam hinter der Lagune, bis sie dann mit einem Ruck in den Bergen, in der Richtung der Barbaren, verschwand.
    Das dreimal heilige Fest stand bevor, bei dem ein Adler von der Höhe eines Scheiterhaufens zum Himmel empor flog, das Symbol der Erneuerung des Jahres, eine Botschaft des Volkes an den höchsten Gott, eine Feier, die man als eine Art von Bündnis, als Vermählung mit der Kraft der Sonne betrachtete. Übrigens wandte sich das hasserfüllte Volk jetzt abergläubisch dem Menschen verschlingenden Moloch zu, und viele verließen Tanit. In der Tat schien die Mondgöttin, ihres Mantels beraubt, einen Teil ihrer Macht verloren zu haben. Sie versagte die Wohltat ihrer Gewässer, sie hatte Karthago verlassen. Sie war eine Abtrünnige, eine Feindin. Manche warfen mit Steinen nach ihr, um sie zu beschimpfen. Doch während man sie schmähte, beklagte man sie gleichzeitig. Man liebte sie noch, inniger vielleicht als zuvor.
    Alles Unglück rührte unbedingt vom Verluste des Zaimphs her, und Salambo war mittelbar daran schuld. Der Groll richtete sich deshalb auch gegen sie. Sie müsse bestraft werden! Alsbald lief der unbestimmte Gedanke einer Opferung im Volke um. Um die Götter zu versöhnen, müsse man ihnen offenbar einen Gegenstand von unschätzbarem Werte opfern, ein schönes, junges, jungfräuliches Geschöpf aus altem Hause, den Göttern entsprossen, einen Stern der Menschheit. Täglich drangen unbekannte Männer in die Gärten von Megara. Die Sklaven zitterten um ihr eigenes Leben und wagten ihnen keinen Widerstand zu leisten. Trotzdem gingen die Eindringlinge nicht über die Galeerentreppe hinaus. Sie blieben unten stehen und starrten hinauf nach dem hohen flachen Dach des Palastes. Sie warteten auf Salambo und schrien stundenlang nach ihr wie Hunde, die den Mond anheulen.
    ***

Kapitel 10
    Die Schlange
    Das Pöbelgeschrei schreckte Hamilkars Tochter nicht. Andere Sorgen beunruhigten sie. Ihre große Schlange, eine schwarze Python, wurde immer matter. Schlangen waren den Karthagern ein nationaler wie persönlicher Fetisch. Man hielt sie für Kinder des Urschlamms,

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