Salambo
Göttern. Salambo bemühte sich, sie zu erkennen, denn sie hielt diese Vorstellung für Wirklichkeit. BloÃe Symbole, ja selbst bildliche Ausdrücke hielt sie für real. Allerdings war auch dem Priester der Unterschied nicht immer völlig klar.
âDie Seelen der Verstorbenenâ, sagte er, âlösen sich im Mond auf wie ihre Körper in der Erde. Ihre Tränen bilden seine Feuchtigkeit. Es ist ein dunkler Ort voller Sümpfe, Trümmer und Stürme.â
Salambo fragte, was dort einst aus ihr würde. âZuerst schwindest du dahin, leicht wie ein Hauch, der sich über den Wogen wiegt; und erst nach längeren Prüfungen und Ãngsten gehst du ein in das hohe Haus der Sonne, in den Quell der Erkenntnis selbst!â
Von Tanit jedoch sprach er nicht, und zwar â wie Salambo glaubte â aus Scham über das Missgeschick seiner Göttin. Auch sie sprach immer nur das gewöhnliche Wort âMondâ aus, das nichts weiter bedeutete als bloà das Gestirn, und sie erschöpfte sich in frommen Worten über sein mildes befruchtendes Licht.
SchlieÃlich aber rief Schahabarim aus: âNein, so ist das nicht! Der Mond erhält all seine Fruchtbarkeit von anderswo! Siehst du denn nicht, wie er um die Sonne schleicht wie ein verliebtes Weib, das einem Mann über das Feld nachläuft?â Und unaufhörlich pries er die Kraft des Sonnenlichtes.
Weit entfernt, ihre mystische Sehnsucht abzutöten, reizte er sie vielmehr auf. Er schien sogar Vergnügen daran zu finden, Salambo durch die Offenbarung einer unerbittlichen Lehre in Verzweiflung zu stoÃen, und sie ging trotz der Schmerzen, die er ihrer Liebe zu Tanit bereitete, eifrig darauf ein.
Je mehr der Oberpriester an Tanit irre wurde, desto mehr gab er sich Mühe, sich doch seinen Glauben an sie zu wahren. In tiefster Seele hielt ihn die Angst vor späterer Reue fest. Er sehnte sich nach einem Beweis, einer Kundgebung der Göttin, und in der Hoffnung, dies zu erringen, ersann er ein Unternehmen, das zugleich sein Vaterland und seinen Glauben retten sollte.
Von nun an begann er vor Salambo den Tempelraub und das Unglück zu beklagen, das davon ausgegangen sei und sich bis in die Weiten des Himmels erstrecke. Jetzt verkündete er ihr auch unvermittelt die Gefahr, in der ihr Vater schwebte, von drei Heeren unter Mathos Führung bedrängt. Matho, der Räuber des heiligen Mantels, war für die Karthager der Herzog der Barbaren. Schahabarim setzte hinzu, dass das Heil der Republik und des Sufeten einzig und allein von Salambo abhänge.
âVon mir?â rief sie aus. âWie kann ich denn ...?â
Der Priester unterbrach sie mit verächtlichem Lächeln: âNie wirst du das tun, was getan werden muss!â
Sie flehte ihn an. Endlich sagte Schahabarim: âDu musst zu den Barbaren gehen und den Zaimph zurückholen!â
Salambo sank auf den Ebenholzschemel und blieb lange, am ganzen Leibe zitternd, mit schlaff zwischen den Knien herabhängenden Armen sitzen, wie ein Opfertier am FuÃe des Altars, des Schlages mit der Keule harrend. Die Schläfen summten ihr, sie sah feurige Ringe um sich kreisen und begriff in ihrer Betäubung nur noch das eine: dass sie bald sterben müsse.
Aber wenn Tanit triumphierte! Wenn der Zaimph zurückkäme und Karthago gerettet würde! Was lag dann am Leben eines Weibes!
So dachte Schahabarim. Ãberdies war es ja möglich, dass sie den Mantel bekam, ohne dabei umzukommen. Drei Tage kam er nicht zu Salambo. Am Abend des vierten Tages lieà sie ihn rufen.
Um ihren Mut zu entflammen, hinterbrachte er ihr alle die Schmähungen, die man im versammelten Rat gegen Hamilkar ausstieÃ. Er sagte ihr, dass sie schuldig sei, dass sie ihre Sünde sühnen müsse und dass die Göttin dies als Opfer von ihr erwarte.
Mehrfach drang lautes Geschrei aus der StraÃe der Mappalier hinauf nach Megara. Schahabarim und Salambo traten rasch hinaus und hielten von der Galeerentreppe Ausschau.
Auf dem Khamon-Platz schrien die Volkshaufen nach Waffen. Die Alten weigerten sich, welche zu liefern, da sie dergleichen Versuche für unnütz erachteten. Schon manche wären ohne Führer ausgezogen und hätten den Tod gefunden! Endlich aber erlaubte man den Schreiern, in den Kampf zu gehen, und nun entwurzelten sie, sei es um Moloch eine Art Huldigung darzubringen oder bloà aus ziellosem Zerstörungstrieb, in den
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