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Salambo

Salambo

Titel: Salambo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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Tempelhainen große Zypressen, zündeten sie an den Ampeln der Kabiren an und trugen sie singend durch die Straßen. Diese Riesenfackeln bewegten sich in gemächlichem Hin- und Herwiegen vorwärts und warfen Lichtscheine in die Glaskugeln auf den Tempelfirsten, auf die Schmuckstücke der Kolosse und auf die Schiffsbeschläge. Sie zogen über die Terrassen hin und kreisten wie Sonnen durch die Stadt. Sie kamen die große Treppe von der Akropolis herab. Das Tor von Malka tat sich ihnen auf.
    â€žBist du bereit?“ fragte Schahabarim. „Oder hast du denen da den Auftrag gegeben, deinem Vater zu melden, dass du ihn im Stich lässt?“
    Salambo verbarg ihr Gesicht in ihrem Schleier, während sich der Fackelzug entfernte und langsam zum Meeresstrand hinab zog.
    Eine vage Angst hielt sie zurück. Sie fühlte Furcht vor Moloch, Furcht vor Matho. Dieser Mann, von Gestalt ein Hüne, der Herr des Zaimphs, hatte jetzt die gleiche Macht über Tanit wie Moloch. Sie sah ihn in der gleichen Gloriole. Manchmal, sagte sie sich, wohnen die Seelen der Götter in den Leibern von Menschen. Und hatte Schahabarim, als er von Matho sprach, nicht gefordert, dass sie Moloch besiegen solle? Matho und Moloch verschmolzen in ihrem Geist miteinander. Sie verwechselte beide, und beide waren ihre Verfolger.
    Sie wollte die Zukunft wissen und ging zu ihrer Schlange. Die Haltung der Schlangen galt als Vorbedeutung. Doch der Korb war leer. Salambo erschrak.
    Sie fand das Tier neben ihrem Hängebett. Es hatte sich um einen Pfeiler des silbernen Geländers geringelt und rieb sich daran, um die alte welke Haut abzustreifen, aus der sein heller glänzender Leib schon hervorschimmerte wie ein halb aus der Scheide gezücktes Schwert.
    Je mehr sich Salambo in den folgenden Tagen überzeugen ließ, je geneigter sie wurde, Tanit zu helfen, umso gesünder und kräftiger wurde ihre Schlange. Sie lebte sichtlich wieder auf.
    Jetzt war Salambo gewiss, dass Schahabarim den Willen der Götter übermittle. Eines Morgens erwachte sie fest entschlossen und fragte, was sie tun müsse, damit Matho den Mantel zurückgäbe.
    â€žIhn fordern!“ entgegnete Schahabarim.
    â€žAber wenn er sich weigert?“
    Der Priester sah sie starr an, aber mit einem Lächeln, das sie bei ihm noch nie gesehen hatte.
    â€žJa, was dann?“ wiederholte Salambo.
    Der Priester spielte mit den Enden der Bänder, die von seiner Tiara auf seine Schultern herab fielen, und stand unbeweglich da, mit gesenktem Blick. Als er aber merkte, dass sie ihn nicht verstand, da sagte er endlich: „Du wirst mit ihm allein sein!“
    â€žUnd weiter?“ fragte sie.
    â€žAllein mit ihm in seinem Zelt!“
    â€žWas heißt das?“
    Schahabarim biss sich auf die Lippen. Er suchte nach einer Umschreibung, einer Ausflucht. „Wenn du sterben musst, so wird das nicht gleich geschehen!“ sprach er. „Später! Fürchte also nichts! Und was er auch mit dir macht, rufe nicht! Erschrecke nicht! Du musst demütig sein, verstehst du, und seinen Wünschen gefügig, denn das ist ein Gebot des Himmels!“
    â€žUnd der Zaimph?“
    â€žDafür werden die Götter schon sorgen!“ entgegnete Schahabarim.
    â€žKannst du mich nicht begleiten, Vater?“
    â€žNein!“
    Er hieß sie niederknien, drückte die Linke an sich und schwor mit der ausgestreckten Rechten für sie, dass sie den Mantel der Tanit nach Karthago zurückbringen wolle. Unter grauenhaften Formeln weihte er sie den Göttern, und jedes einzelne Wort, das Schahabarim sprach, wiederholte Salambo halb ohnmächtig.
    Er schrieb ihr genau die nötigen Reinigungen vor, und wie sie fasten müsse, und wie sie zu Matho gelangen könne. Übrigens solle ein wegekundiger Mann sie begleiten.
    Salambo fühlte sich wie erlöst. Sie dachte nur an das Glück, den Zaimph wieder zu sehen, und so segnete sie Schahabarim für seine frommen Ermahnungen.
    *
    Es war die Zeit, wo die Tauben von Karthago nach Sizilien auf den Berg Eryx zum Tempel der Venus zu ziehen pflegten. Mehrere Tage vor ihrem Aufbruch suchten und riefen sie sich, um sich zu vereinigen. Endlich flogen sie eines Abends fort. Der Wind trieb sie vor sich her, und wie eine große weiße Wolke schwebten sie am Himmel, hoch über dem Meer.
    Der Horizont war rot wie Blut. Die Tauben schienen sich allmählich zu den Fluten herab zu senken. Dann

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