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Salambo

Salambo

Titel: Salambo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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verschwanden sie, als wären sie in den Rachen der Sonne hineingestürzt und von ihm verschlungen. Salambo, die ihrem Fortfliegen zusah, ließ den Kopf sinken, und Taanach, die ihren Kummer zu erraten glaubte, sprach sanft zu ihr: „Sie kehren wieder, Herrin!“
    â€žJa, ich weiß es.“
    â€žUnd du wirst sie wiedersehen!“
    â€žVielleicht!“ versetzte Salambo seufzend.
    Sie hatte ihren Entschluss keinem Menschen anvertraut. Um ihn ganz heimlich ausführen zu können, sandte sie Taanach in die Vorstadt Kinisdo, damit sie dort alles einkaufe, dessen sie bedurfte: Zinnober, Parfümerien, einen leinenen Gürtel und neue Gewänder. Sie wollte diese Dinge absichtlich nicht vom Haushofmeister fordern. Die alte Dienerin erstaunte über diese Zurüstungen, wagte aber keine Fragen. So kam der Tag heran, den Schahabarim zum Aufbruch Salambos bestimmt hatte.
    Um die zwölfte Stunde bemerkte sie im Sykomorenhain einen blinden Greis, der sich mit einer Hand auf die Schulter eines vor ihm hin schreitenden Kindes stützte und mit der anderen eine Harfe aus schwarzem Holz gegen die Hüfte gepresst trug. Die Eunuchen, die Sklaven und Dienerinnen waren sorgfältig entfernt worden. Niemand sollte etwas von dem Mysterium erfahren, das sich zu vollziehen begann.
    Taanach zündete in den Ecken des Gemaches vier eherne Dreifüße an, die mit kretischem Rosenharz und Paradieskörnern gefüllt waren. Dann rollte sie große babylonische Teppiche auf und hängte sie an Schnüren rings an den Wänden auf. Salambo wollte von niemandem gesehen werden, selbst von den Mauern nicht. Der Harfenspieler hockte hinter der Tür. Der Knabe stand aufrecht daneben und hielt eine Schilfflöte an seinen Lippen. In der Ferne, halb verklungen, summte der Straßenlärm. Die Säulenhallen der Tempel warfen lange violette Schatten, und auf der anderen Seite des Golfes verschwammen die Bergzüge, die Olivenhaine und die gelben, endlos sich hinwellenden Felder in bläulichem Duft. Man hörte keinen Laut. Unsägliche Mattigkeit lastete in der Luft. Salambo kauerte am Rand des Wasserbeckens auf der Onyxstufe nieder, streifte ihre weiten Ärmel zurück, befestigte sie hinter den Schultern und begann ihre Waschungen vorschriftsmäßig nach den heiligen Bräuchen.
    Dann brachte Taanach ihr in einem Alabasterfläschchen eine halb geronnene Flüssigkeit. Es war das Blut eines schwarzen Hundes, der in einer Winternacht von unfruchtbaren Weibern in den Ruinen eines Grabes getötet worden war. Salambo rieb sich damit die Ohren, die Fersen und den Daumen der rechten Hand ein, wobei der Fingernagel ein wenig gerötet wurde, als hätte er eine Frucht zerdrückt.
    Der Mond ging auf. Im gleichen Moment begannen Harfe und Flöte ineinander zu tönen.
    Salambo legte ihre Ohrgehänge, ihr Halsband, ihre Armringe und ihr langes weißes Obergewand ab, löste ihr Haarband und schüttelte ihr sie umwallendes Haar eine Weile leise, um sich an den Strähnen die Schultern zu kühlen. Die Musik draußen tönte fort: es waren drei hastige wilde Töne, die immer wiederkehrten. Die Saiten der Harfe klangen schrill, die Flöte gurgelte. Taanach schlug den Takt mit ihren Händen. Salambo wiegte sich mit ihrem ganzen Körper und sang Gebete, wobei ihre Kleider niederfielen, eins nach dem anderen. Einer der schweren Teppiche an der Wand bewegte sich, und über der Schnur, die ihn trug, erschien der Kopf der Pythonschlange. Langsam glitt sie herab wie ein Wassertropfen, der an der Wand herunter rinnt, kroch zwischen den daliegenden Gewändern hin und richtete sich dann, den Schwanz auf den Boden gestemmt, kerzengerade in die Höhe. Ihre starr auf Salambo gerichteten Augen blitzten heller als Karfunkelsteine.
    Aus Scheu vor der Kälte oder vielleicht auch aus Scham zögerte Salambo eine Weile. Dann aber fielen ihr die Befehle Schahabarims ein, und sie ging auf die Schlange zu. Diese neigte sich herab, legte die Mitte ihres Leibes auf den Nacken der Jungfrau und ließ Kopf und Schwanz herunterhängen wie ein zerbrochenes Halsband, dessen beide Enden zu Boden fallen. Salambo schlang das Tier um ihre Hüfte, unter ihren Arm hindurch, um ihre Knie. Dann fasste sie es beim Kopf, drückte seinen kleinen dreieckigen Rachen dicht an ihre Lippen und beugte sich mit halb geschlossenen Augen hintenüber. Das weiße Mondlicht umsickerte sie mit

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