Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Salamitaktik

Salamitaktik

Titel: Salamitaktik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf H. Dorweiler
Vom Netzwerk:
eine Karte hatte schicken wollen. Wenn er die nicht erst am letzten Tag der Reise, also gestern, eingeworfen hatte, müsste sie eigentlich inzwischen da sein. Mario ahnte, dass Irfan diese Überlegung bereits gestern angestellt und sich die dazu passende Geschichte zurechtgelegt hatte, und war vom Weitblick des Mannes beeindruckt. Er selbst hätte mit dem netten Schwarzen wahrscheinlich einfach einen Joint geraucht und ihn um Hilfe bei der Suche nach dem Koffer gebeten. Was Irfan hier machte, war zwar kompliziert, aber er verriet mit keinem Wort, worum es ihm wirklich ging.
    Â»Denken Sie noch einmal genau nach. Sie haben doch bestimmt irgendeine Postkarte bekommen. Von einem Freund, der weggefahren ist. In den Urlaub vielleicht oder auf Geschäftsreise.«
    Â»Keine Postkarte«, sagte Harry Mbene im Brustton der Überzeugung.
    Â»Vielleicht aus Hamburg, Berlin oder Frankfurt am Main?«
    Harry Mbene schüttelte bestimmt den Kopf.
    Irfan schaute auf den Block, um kurz nachdenken zu können, und Mario sah ein Zucken in seinem Mundwinkel, das entweder von einer gewissen Aufregung zeugte oder aber ein Zeichen dafür war, dass er sich gerade seine Niederlage eingestand.
    Â»Dann ist unsere Befragung hier schon zu Ende«, sagte Irfan, ohne die Enttäuschung in seiner Stimme zu verbergen. »Das ist wirklich schade. Bis hierher kann ich Ihnen nur zehn Euro für die Befragung geben. Aber ich lasse Ihnen meine Telefonnummer da, damit Sie mich anrufen können, falls die Tage doch noch eine Postkarte bei Ihnen eintrifft. Wenn Sie sich melden, setzen wir die Befragung fort, und Sie bekommen die restlichen neunzig Euro.«
    Mario griff schnell noch einmal in die Schale mit den Chips, steckte alle auf einmal in den Mund und wischte sich anschließend die fettigen Fingerspitzen an seiner Hose ab. Alle drei standen auf. Irfan riss das Blatt aus seinem Block, auf das er seine Handynummer geschrieben hatte. Harry Mbene nahm den Zettel entgegen und legte ihn auf den Glastisch.
    Â»Klar, ich rufe an, wenn ich Postkarte bekomme. Wenn ich hätt gewusst, dass ich dir so viel Ärger mache, wenn ich keine Postkarte habe, hätt ich gesagt, ja, Postkarte bekommen.«
    Â»Das hätte leider nichts genutzt, weil es in der nächsten Frage darum gegangen wäre, wer Ihnen die Postkarte geschickt hat.«
    Â»Mein Onkel aus Ghana«, sagte Harry Mbene und grinste.
    Irfan erwiderte das Lächeln nur flüchtig. Er zog sein Portemonnaie aus der hinteren Hosentasche und nahm einen Zehn-Euro-Schein heraus, den er Harry Mbene übergab. »Wie gesagt, den Rest bekommen Sie, wenn Sie mich anrufen wegen der Postkarte.«
    Harry Mbene sagte: »Ich habe Paket bekommen. Hilft das vielleicht auch?«
    Â»Nein, nur die Postkarte hilft«, antwortete Irfan. Harry Mbene faltete den Geldschein einmal säuberlich in der Mitte und steckte ihn in seine Hemdtasche.

3
    Â» TF zwo, bitte in 0, die 1«, sagte eine krächzende Männerstimme über die Rufanlage des Kaufhauses. » TF zwo« war das Kürzel, das Gampp Schlaicher und Lutz Vollmer gegeben hatte. TF stand für »Task Force«. Das Problem war nur, dass Schlaicher keine Ahnung hatte, wo sich die unfähige zweite Hälfte dieser Task Force gerade wieder herumtrieb. Er konnte nur hoffen, dass Lutz Vollmer der Aufforderung, ins Erdgeschoss, »0«, zum Haupteingang, »1«, zu gehen, ebenfalls nachkam. Schlaicher hatte die kryptische Ortsangabe selbst erst nach einem Blick auf seinen Spickzettel verstanden. Lutz Vollmer besaß eine Kopie und sollte besser einen Blick darauf werfen, damit er nicht mit seiner Drohung Ernst machte und dafür sorgte, dass der Mann für drei Monate bei allen Sozialleistungen gesperrt würde. Immerhin schien Schlaichers Wutausbruch seine Spuren bei Lutz Vollmer hinterlassen zu haben. Genau wie Gampps wütende Reaktion Schlaicher gegenüber Wirkung zeigte. Lutz hatte sich den Vormittag über einigermaßen eifrig gezeigt und sich in den Besprechungen mit den Detektiven und dem Personal zurückgehalten. Beim Anbringen der beiden Testkameras und vor allem beim Anschließen der Geräte an die Überwachungstechnik im Erdgeschoss hatte er an der Arbeit sogar richtig Gefallen gefunden und sich gar nicht mal so blöde angestellt. Am meisten Spaß hatte er allerdings gehabt, als Schlaicher das Programm zur Darstellung der Aufnahmen nicht auf dem Sicherheitsterminal

Weitere Kostenlose Bücher