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Salamitaktik

Salamitaktik

Titel: Salamitaktik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf H. Dorweiler
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überschritten hatte. Fünfzig mochte hinkommen. Eine Fünfzigjährige, die aussah wie fünfundvierzig. Das passte.
    Lutz stand bei den jungen Mädchen, die kistenweise Probenkoffer auspackten und am Stand unter der Theke verstauten. Eine von ihnen, sie wirkte am jüngsten, schaute mit einem verwirrten Gesichtsausdruck auf Lutz Vollmers T-Shirt-Spruch. Der lachte und zog den Stoff stramm. Schlaicher hörte nicht, was er ihr zuflüsterte, aber sie wandte sich prompt mit einem angewiderten Blick von ihm ab.
    Â»Lutz. Du gehst zu den anderen Kisten«, sagte Schlaicher streng und zeigte auf einen weiteren Stapel Ware, der direkt bei den Rolltreppen stand. Die Lagerarbeiter brachten immer noch weiteres Material an. Das musste ja eine gewaltige Show werden heute Abend.
    Schlaicher blieb bei den Mädchen, die bis auf Lutz’ Opfer alle Namen hatten, die mit J anfingen und mit A aufhörten: Jessica, Jasmina, Jana und Julia. Er brachte sie schon durcheinander, als sie sich noch vorstellten. Die fünfte hieß Mathilde, was Schlaicher erstaunlich fand. Die einzige Mathilde, die er kannte, war eine alte Matrone gewesen, die in seiner Kindheit manchmal im Haus seines Vaters beim Kochen ausgeholfen hatte. Sie hatte eine so feuchte Aussprache gehabt, dass er sich immer vor dem Essen ekelte, wenn er wusste, dass sie mitgekocht hatte. Diese Mathilde hingegen war eine richtige kleine Schönheitskönigin und verhielt sich ihm gegenüber im Gegensatz zu den anderen weitaus weniger arrogant. Sie dankte ihm sogar für die Hilfe beim Auspacken. Eine andere – Jessica?, Jana? – scheuchte Schlaicher allerdings sogleich wieder weg, weil er die Sachen wohl an den falschen Stellen verstaute. Mathilde nickte ihm trotzdem freundlich zu.
    Schlaicher beließ es nach dieser Erfahrung dabei und beschränkte sich darauf, den Bereich, in dem die Mädchen arbeiteten, im Auge zu behalten. Lutz hockte mehr oder weniger deutlich gelangweilt auf einer der Holzkisten und wartete. Gampp war mit der Lefèvre verschwunden.
    Es dauerte ungefähr eine Stunde, bis sich der Stand in ein nahezu luxuriös anmutendes Schönheitsstudio verwandelt hatte. Die lange, hohe Rückwand, auf der in einer eleganten Schreibschrift »Emanuelle Lefèvre« aufgedruckt war, besaß sogar ein Fenster. Allerdings war die »Aussicht« falsch. Man blickte auf den Central Park von Manhattan, im Hintergrund konnte man die Wolkenkratzer sehen. Das Foto war an einem wunderschönen Frühlingstag aufgenommen worden.
    Geschlossene Seitenwände gab es nicht, dafür sehr luftig wirkende Regale, die es den Kundinnen bei Beginn der Show ermöglichen würden, auch von den Seiten her mitzubekommen, was geschah. In die Regale räumten die Mädchen verschiedene Tiegelchen und Flacons, überall prangte das Logo, das aus einem großen E und einem L bestand: Emanuelle Lefèvre. Die Initialen der Dame waren als Goldstickerei auch auf einer roten Samtdecke zu finden, die zwei der J-Mädchen über einer Luxusliege ausbreiteten, auf der sicherlich heute Abend die Behandlungen stattfinden sollten. Gampp schien von dieser Lefèvre und ihren Kosmetik-Shows so begeistert zu sein, dass er sie Schlaicher vorhin als Höhepunkt des Abends angekündigt hatte. Das war auch den neidischen Blicken der Mitarbeiter an den anderen Ständen zu entnehmen. Die waren zwar ebenfalls nicht ohne Marketingbudget angereist, konnten jedoch bei Weitem nicht den gleichen Glamourfaktor bieten wie der Lefèvre-Stand, der eher einem kleinen Palast glich. Ganz anders waren die Blicke zu deuten, die Lutz immer wieder zu ihnen herüberwarf. Sie galten definitiv eher den Mädchen als den ausgestellten Waren. Als sein Blick von etwas angezogen wurde, was sich am Eingang hinter Schlaichers Rücken befinden musste, fielen ihm sogar beinahe die Augen aus dem Kopf. Schlaicher drehte sich unwillkürlich um und wusste sofort, wer für die Lüsternheit in Lutz’ Augen verantwortlich war.
    Sie sah aus wie eine asiatische Lara Croft. Zwar trug die junge Frau eine lange, weite Hose und hatte keine Pistolen an die Oberschenkel geschnallt, aber mit ihrem dunkelbraunen Haar, das glatt über ihre Schultern fiel und bis zu ihren im Tanktop kaum verborgenen Brüsten reichte, entsprach sie dem Klischee einer Wildkatze. Und so bewegte sie sich auch, fließend und jederzeit bereit, auf ihre Beute zuzuspringen.

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