Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Salamitaktik

Salamitaktik

Titel: Salamitaktik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf H. Dorweiler
Vom Netzwerk:
Michael stand mit dem Rücken zu ihnen am Zaun und rief: »Putt, putt, putt!«
    Â»Okay. Dann können wir jetzt vielleicht fahren?«
    Â»Ich wollte eigentlich noch zu meinen Pflanzen.«
    Â»Wir fahren jetzt.«
    Der Erste auf der Hosentaschen-Liste war ein gewisser Harry Mbene aus Zell im Wiesental. Mario wies Irfan schlechtgelaunt den Weg.
    Â»Wie wollen wir wissen, wer den Koffer hat?«, fragte er.
    Â»Von der Kleidung her suchen wir einen Mann«, begann Irfan. »Das Wochenticket hat er letzten Donnerstag gekauft, es war gültig für Frankfurt und die Strecke nach Offenbach. Seinen Koffer hast du aus dem Gepäckteil des Fernbusses geholt. Also: Wie ist die Geschichte?«
    Mario war von der Frage überrascht. Er fühlte sich, als habe ihn in der Schule überraschend der Lehrer aufgerufen.
    Â»Ã„h«, begann er, genau so, wie er es in der Schule gemacht hätte. »Der Mann war eine Woche in Frankfurt und ist dann mit dem Fernbus wieder nach Hause gefahren?«
    Irfan nickte unmerklich. »Und?«
    Â»Ã„hh, er hat Apfelwein mitgenommen. Genau: Und Karten geschrieben, auch an diesen Typen aus Zell.«
    Â»Damit sollte deine Frage beantwortet sein«, sagte Irfan kühl.
    Das sah Mario anders, aber er hatte keine Lust, Irfan gegenüber einzugestehen, dass er weiter im Dunkeln tappte. Die Arroganz dieses Typen begann ihn richtig aufzuregen. Er kramte seinen Tabakbeutel hervor, um sich einen Joint zu drehen. Irfan knurrte: »Weg damit.«
    Â»Das ist meine Sache«, erwiderte Mario genervt.
    Â»Ist es nicht. Wahrscheinlich ist dieser Dreck sogar der Grund, warum ich mit dir kleinem Arschloch meine Zeit am Ende der Welt vertun muss. Du solltest nur ein paar Sucuk zu Onkel Umut bringen. Aber selbst das hast du versaut.«
    Mario rückte beleidigt auf dem Beifahrersitz nach vorn. »Meinst du, ich habe das absichtlich gemacht?«
    Â»Es ist mir verdammt egal, warum du tust, was du tust. Oder ob du dir das bisschen Verstand, das noch da ist, auch noch wegkiffst. Aber solange ich, statt mit meiner Frau und meinen Töchtern zu Hause einen schönen Tag zu verbringen, hier in der Provinz rumkurven muss, um deine Kifferfehler auszubügeln, kannst du das vergessen.« Irfan schlug mit der rechten Hand gegen den Tabakbeutel, der Mario prompt aus der Hand rutschte und auf den Boden des BMW fiel.
    Â»Hey, du Arsch!«
    Irfan stieg auf die Bremse, als wäre vor ihnen überraschend ein Kleinkind auf die Straße gerannt. Mario wurde unsanft nach vorne geschleudert und stieß heftig mit dem Kopf gegen die Sonnenblende. Als er vor Schmerz wimmernd wieder aufschaute, blickte er zum ersten Mal in seinem Leben in die Mündung einer Pistole. Dahinter fixierten ihn zwei dunkelbraune Augen mit kaltem Blick.
    Â»Ich glaube, du hast keine Ahnung, wie ernst die Sache ist«, sagte Irfan ruhig.
    Bis auf ein paar Anweisungen wegen des Weges herrschte die restliche Fahrt über eisiges Schweigen. Die Waffe war so schnell wieder verschwunden, wie sie aufgetaucht war, und Mario hatte den Tabakbeutel aufgehoben und eingesteckt. Dann hatten sie ihren Weg fortgesetzt. Gleichzeitig mit ihrer Ankunft in der Schönauer Straße in Zell setzte ein leichter Nieselregen ein. Marios Großvater hatte also mal wieder recht behalten mit seiner Wettereinschätzung.
    Â»Ich rede, du bist aufmerksam und schaust, ob du irgendwelche Hinweise entdeckst, wo der Koffer ist«, sagte Irfan, während er aus dem Kofferraum einen DIN - A 4-Block herausholte. »Ich will von dir kein Wort hören.«
    Er klingelte, nach wenigen Sekunden folgte ein Summen, und Irfan stieß die Tür auf.
    Â»Guten Abend. Mein Name ist Omar Gülcek«, log Irfan den Mann an, der im dritten Stock die Tür öffnete. Seine Haut war tiefschwarz, er war etwas mollig und besaß ein breites Grinsen. Durch die dunkle Haut wirkten seine Zähne noch weißer. »Das ist mein Kollege. Im Auftrag der Deutschen Post befragen wir ausgewählte Haushalte. Dürfen wir einen Moment hereinkommen? Für die Teilnahme gibt es auch eine finanzielle Aufwandsentschädigung.«
    Harry Mbene wirkte nicht so, als machte er sich irgendwelche Sorgen, Betrügern aufzusitzen. Er grinste weiter und bat sie herein.
    Die Einrichtung der Wohnung war zur Hälfte afrikanisch: bunte Tücher, dunkles Holz, Figuren, die sichtlich Fruchtbarkeit in ihrer männlichen und weiblichen Ausprägung zum Thema

Weitere Kostenlose Bücher